Rushdie Salman
Jain dem
Monar-chen jeden Morgen eine Schüssel mit siedendem
Wasser, und Akbar betrachtete aufmerksam den aufsteigenden Dampf, der ihm verriet, wie er sich an diesem
Tag am besten verhalten sollte. Badete er im königlichen
Hammam, legte er den Kopf in den Nacken und schwebte eine Weile wie ein Fisch im Wasser. Das Wasser des
Hammams flüsterte ihm dann in seine untergetauchten
Ohren die verschwiegensten Gedanken aller Menschen,
die im Umkreis von drei Meilen ein Bad genommen hatten. Allerdings waren die erhellenden Kräfte stehenden
Wassers begrenzt, weshalb er in einen Fluss steigen
musste, wenn er Informationen aus größerer Entfernung
suchte. Man durfte die Zauberkraft des Hammams jedoch
keineswegs unterschätzen. Schließlich hatte er dort auch
vom versteckten Tagebuch des engstirnigen Badauni
erfahren, einem Buch, in dem Badauni sich so kritisch
mit den Ideen und Gewohnheiten des Herrschers befasste, dass Akbar, hätte er zugegeben, von seiner Existenz
zu wissen, verpflichtet gewesen wäre, den Verfasser auf
der Stelle töten zu lassen. Stattdessen verwahrte er das
Geheimnis seines Kritikers sorgsam in seinem Herzen
und schickte jede Nacht, sobald Badauni schlief, Umar
den Ayyar, seinen treuesten Spion, ins Arbeitszimmer
des verbitterten Verfassers, damit er die neuesten Seiten
der geheimen Geschichte der Regentschaft des Herrschers aufspürte und auswendig lernte.
Umar der Ayyar war für Akbar so wichtig wie das Wasser - dermaßen wichtig sogar, dass ihn nur der Herrscher
kannte. Selbst Birbal wusste nichts von seiner Existenz,
auch Abul Fazl nicht, der Meisterspion. Umar war ein
junger Eunuch, schlank und rank und im Gesicht wie am
ganzen Körper haarlos, weshalb er als Frau durchgehen
konnte und auf Akbars Wunsch anonym im Haremsbereich lebte, wo er sich als bescheidener Diener jener
Konkubinen ausgab, denen er so auffallend ähnelte. Ehe
Akbar an jenem Morgen mit Mogor den’ Amore zum Zelt
des neuen Kults ging, hatte Umar durch eine verborgene
Tür, von der selbst Bhakti RamJain nichts ahnte, Akbars
Gemächer betreten und seinen Herrn darüber informiert,
dass der gelbhaarige Neuankömmling ein Geheimnis zu
erzählen wusste, ein derart erstaunliches Geheimnis, dass
es die Dynastie womöglich in ihren Grundfesten erschütterte. Umar hatte allerdings nicht herausfinden können,
worum es bei diesem Geheimnis ging, weshalb er beschämt dreinsah und den Blick so mädchenhaft verschämt niederschlug, dass der Herrscher ihn mehrere
Minuten lang trösten musste, nur damit sich sein Spion
nicht auch noch entblödete, in Tränen auszubrechen.
Da Akbar größtes Interesse an diesem noch nicht erzählten Geheimnis hatte, tat er, als sei es nicht weiter von
Belang, und fand viele Wege, seine Offenbarung zu verhindern. Er hielt den Fremden in seiner Nähe, sorgte aber
zugleich dafür, dass sie nie allein waren. Er schlenderte
mit ihm zum Taubenschlag, um nach den königlichen
Flugtauben zu sehen, und gestattete ihm, neben der herrschaftlichen Sänfte einherzuschreiten, als er sich ans Ufer
des schimmernden Sees bringen ließ. Es stimmte, er
machte sich tatsächlich Sorgen. Da war nicht allein diese
Sache mit dem noch unverratenen Geheimnis, das rund
um die Welt zu ihm gereist war, er hatte sich letzte Nacht
auch beim Liebesspiel mit der geliebten Jodha nicht so
erregt gefühlt wie sonst, obwohl sie doch noch nie versagt hatte, weshalb er sich sogar fragte, ob nicht zur Abwechslung einmal die Gesellschaft einiger seiner hübscheren Konkubinen vorzuziehen sei. Und dann bliebe da
noch das Problem seiner zunehmenden Desillusionierung
mit Gott zu erwähnen. Das war wirklich mehr als genug.
Zeit, sich eine Weile im Wasser treiben zu lassen.
Wohl aus Nostalgie hatte er die vier Lieblingsschiffe
seines Großvaters behalten und herrichten lassen, um den
Schiffsverkehr auf dem See aufrechtzuerhalten. Eis aus
Kaschmir kam mit dem größten Schiff über das Wasser,
dem flachen Transportschiff namens Gunjayish, was so
viel heißt wie «Fassungsvermögen», auf dass jenes kalte
Nass das letzte Stück seiner täglichen Reise vom hohen
Himalaja zu den Trinkgläsern des Hofes an Bord jenes
Gefahrts zurücklegte, das einst ein Geschenk seines Namensvetters Sultan Jalaluddin an den grausamen Naturliebhaber, den ersten König der Moguln, gewesen war.
Akbar selbst zog es vor, mit der «Annehmlichkeit» zu
reisen, der Asayish, die in kurzem Abstand von der Farmayish, der «Kommando»,
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