Rushdie Salman
begleitet wurde, einem kleinen Kurierschiff, das Befehle und Gäste zwischen Ufer
und Schiff hin- und hertransportierte. Das vierte Schiff,
die reichverzierte Arayish, was so viel wie «Zierde»
heißt, war ein Schiff allein für romantische Vergnügungen, das ausschließlich des Abends genutzt wurde. Akbar
führte Mogor dell’ Amore in die Hauptkabine der
Asayish und stieß einen tiefen Seufzer des Behagens aus,
wie er es immer tat, wenn die Subtilitäten des Wassers
die Banalität eines festen Bodens unter seinen Füßen
ersetzten.
Der Fremde trug an seinem Geheimnis so schwer wie
eine Frau kurz vor der Niederkunft an ihrem ungeborenen Kind, und wie sie schien er sich vor dem entscheidenden Augenblick zu fürchten. Akbar spannte seinen
Gast noch eine Weile auf die Folter, in- dem er die
Schiffsmannschaft bat, eine Reihe kleinerer, vom Hofprotokoll vorgeschriebener Dienste auszuführen, bei denen es um Kissen, Wein und um Bücher ging. Jedes Getränk musste dreimal auf Gift vorgekostet werden, ehe es
die Lippen des Herrschers netzen durfte, und obwohl ihn
diese Tradition langweilte, sprach Akbar sich nicht dagegen aus. Was Bücher anbelangte, hatte er allerdings die
Vorschriften geändert. Nach alter Manier musste jedes
Buch, das auch nur in die Nähe des Monarchen gelangte,
von drei verschiedenen Kommentatoren gelesen und für
frei von allem Aufrührerischen, von jeglicher Obszönität
und etwaigen Lügen erklärt werden. «Mit anderen Worten», hatte der junge König daraufhin bei der Thronbesteigung gesagt, «wir dürfen nur die langweiligsten Bücher lesen, die je verfasst wurden. Nun, das kann nicht
angehen.» Heutzutage waren Bücher jeglicher Art zugelassen, doch wurden dem Monarchen wegen der übermächtigen, alles andere außer Kraft setzenden Vorschrift,
der zufolge es herrschaftliche Überraschungen grundsätzlich zu vermeiden galt, dennoch die Ansichten seiner drei
Kommentatoren vorgetragen, sooft er eines der Werke
aufschlug. Was die Kissen betraf, musste jedes einzeln
daraufhin untersucht werden, ob ein Übeltäter nicht vielleicht eine Klinge darin versteckt hatte. All dies ließ der
Herrscher geschehen. Dann endlich geruhte er, dem
Fremden eine Weile außer Hörweite irgendwelcher Berater zu gewähren.
«Mein Herr», sagte Mogor dell’Amore, und man hätte
meinen können, dass seine Stimme ein wenig zitterte,
«ich flehe Euch an, Euch und nur Euch allein eine gewisse Angelegenheit offenbaren zu dürfen.»
Akbar brach in schallendes Gelächter aus. «Wir glauben,
wenn wir Euch länger warten lassen, erstickt Ihr noch
daran.» Er kicherte. «Seit über einer Stunde schon
kommt Ihr mir vor wie ein Furunkel, der jeden Moment
zu platzen droht.»
Der Fremde verfärbte sich tiefrot. «Euer Majestät wissen
alles», sagte er mit einer Verbeugung. (Der Herrscher
hatte ihn nicht aufgefordert, sich zu setzen., «Doch wage
ich zu behaupten, dass Euch der Inhalt meiner Mitteilung
nicht bekannt sein kann, auch wenn der Sachverhalt noch
so offensichtlich zu sein scheint.»
Akbar fasste sich wieder und setzte eine ernste Miene
auf. «Nun, heraus damit», sagte er. «Lasst hören, was Ihr
zu sagen habt.»
«Also schön», begann der Fremde. «Es lebte dereinst im
Fernen Osten ein Fürst namens Argalia, auch Arcalia
genannt, ein großer Krieger, der Zauberwaffen sein Eigen
nannte und zu dessen Gefolge vier schreckliche Riesen
gehörten; außerdem war eine Frau bei ihm, Angelica»…
Von Bord des Schiffs Farmayish, das mit Abul Fazl und
einer kleinen Schar Männer auf die Asayish zuraste, ertönte in diesem Moment der laute Schrei: «Habt acht!
Rettet den Monarchen! Habt acht!», und kurz darauf
stürzte die Mannschaft des königlichen Schiffes in die
Kabine und ergriff Mogor dell’Amore, ohne zu zögern
und zu zaudern. Ein muskelbepackter Arm schloss sich
um seine Kehle, drei Schwerter richteten sich auf sein
Herz. Der Herrscher war aufgesprungen und wurde ebenfalls rasch von bewaffneten Männern umstellt, um ihn
vor jedem Schaden zu bewahren.
« … Angelica, die Prinzessin von Indien und China … »
Verzweifelt versuchte der Fremde, seine Geschichte zu
erzählen, doch der Arm presste ihm die Luft ab. « … die
schönste … », fügte er noch unter Schmerzen hinzu, doch
dann drückte der Arm ein wenig fester zu, woraufhin
Mogor dell’ Amore das Bewusstsein verlor und kein
Wort mehr herausbrachte.
7. Im Dunkel des Verlieses machten ihm die Ketten
ebenso zu
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