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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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Lyrik schreiben und die Welt allein regieren.
Es war ein Skandal, keine Frage, aber der Herrscher liebte solche Einfälle und fand jede Neuerung entzückend,
fast, als hätte er nie aufgehört, ein Kind zu sein, und verliebte sich immer noch in jede neu aufblitzende Idee, als
wäre sie eine silberne Rassel im Kindergarten, die mit
dem Ernst eines rechtschaffenen Erwachsenenlebens
nichts zu tun hatte.
    Dennoch: Prinzessin Gulbadan war die Ältere, und die
Königinmutter würde ihr stets den gebührenden Respekt
zollen. Ach, und außerdem war es einfach unmöglich,
Gulbadan nicht zu mögen; sie lächelte gern und wusste
immer lustige Geschichten über irgendeine verrückte
Cousine zu erzählen. Außerdem war sie eine gute, liebenswerte Seele, auch wenn ihr Kopf bis an den Rand
mit diesen neuen Vorstellungen von Unabhängigkeit
vollgestopft zu sein schien. Menschen sind keine Einzelwesen, sagte Hamida Bano ihr dann, sie kommen im Plural vor, ihr Leben wird durch ein Flechtwerk von Kräften
bestimmt, und schüttelt man willkürlich an einem Ast,
wer kann da schon wissen, welche Frucht einem auf den
Kopf fällt? Gulbadan aber lächelte dann nur und ging
ihrer eigenen Wege. Jedermann hatte sie gern, die Königinmutter auch, gerade das war ja so eigenartig. Das und
die Tatsache, dass Gulbadan den Körper einer jungen
Frau besaß, im Alter so rank und schlank wie in ihrer
Jugend. Der Leib der Königinmutter hatte über die Jahre
auf bequeme und traditionelle Weise nachgegeben, hatte
sich zusammen mit dem Reich des Sohnes ausgedehnt
und war jetzt selbst eine Art Kontinent, ein Reich mit
Bergen und Wäldern, über denen die Hauptstadt ihres
Geistes residierte, der keineswegs nachgelassen hatte,
nein, kein bissehen. Ich sehe aus, wie eine alte Frau aussehen sollte, dachte Hamida Bano. So ist es normal. Die
Beharrlichkeit, mit der Gulbadan darauf bestand, weiterhin jung zu wirken, war nur ein weiterer Beleg für ihren
gefährlichen Mangel an Respekt für Traditionen.
Durch die Frauentür betraten sie die Gemächer des Herrschers und setzten sich wie gewohnt hinter den reichverzierten Wandschirm aus Walnussholz mit eingelegtem
Marmor, und natürlich begann die alte Gulbadan gleich
auf gänzlich falschem Fuß. Sie hätte den Fremden nicht
direkt anreden dürfen, doch da ihr zu Ohren gekommen
war, er beherrsche ihre Sprache, kam sie gleich zur Sache. «Heda, Fremder», trompetete sie in scharfem, hohem Ton. «Also, was ist das für ein Märchen, das Euch
um die halbe Welt zu uns geführt hat?,,
    Dies sei die Geschichte, wie sie ihm selbst erzählt wurde,
schwor der Fremde. Seine Mutter sei eine Prinzessin von
echtem Tschagatai-Blut, eine direkte Nachfahrin von
Dschingis Khan, Angehörige des Hauses Timur und
Schwester des ersten Mogulherrschers über Indien, den
sie nur den «Biber» nannte. Als er dies sagte, fuhr hinter
dem Wandschirm ein Ruck durch Gulbadan Begum., Er
kenne keine Daten, keine Ortsnamen, nur die Geschichte,
wie man sie ihm erzählt habe, die er nun getreulich wiedergebe. Der Name seiner Mutter sei Angelica, und sie
sei, beharrte er, eine Mogulprinzessin, die schönste Frau,
die je gelebt habe, eine Zauberin ohnegleichen, Herrin
über magische Tränke und Bannsprüche, deren Macht
weithin gefürchtet war. In ihrer Jugend wurde ihr Bruder,
König Biber, in Samarkand von einem usbekischen Kriegerfürsten namens Lord Wurmholz belagert, der verlangte, Biber solle sie ihm als Pfand überlassen, wenn er nach
seiner Kapitulation sicheres Geleit aus der Stadt haben
wolle. Um Angelica zu demütigen, überließ Lord Wurmholz sie eine Weile seinem jüngsten Wasserträger Bacha
Saqaw, auf dass er sich nach Belieben mit ihr verlustiere.
Zwei Tage später war Bacha Saqaw am ganzen Leib mit
Furunkeln übersät, Pestbeulen wuchsen ihm unter den
Armen sowie in der Leistengegend, und als sie platzten,
starb er. Danach legte niemand mehr Hand an die Hexe -
bis sie Wurmholz’ linkischen Annäherungen schließlich
nachgab. Zehn Jahre vergingen, dann wurde Lord
Wurmholz in der Schlacht von Marv an den Ufern des
Kaspischen Meeres vom persischen Schah Ismail besiegt
und Angelica aufs Neue zur Kriegsbeute.
O, jetzt spürte auch Hamida Bano, wie ihr Puls schneller
schlug.
Gulbadan Begum beugte sich vor und flüsterte ihr ein
Wort ins Ohr. Die Königinmutter nickte, und Tränen
schossen ihr in die Augen. Teilnahmsvoll begann auch
ihre Dienerin Bibi Fatima zu weinen
Der persische König

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