Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
Vom Netzwerk:
einer völlig falschen Spur hinterherlaufe?
    Ich koste die klare Spargelsuppe, würze mit etwas Salz und Zucker nach, dann einige Tropfen von meiner geliebten Hot Sauce dazu, die ich aus der Karibik mitgebracht habe. Zum Glück hält sie jahrelang, und so scharf, wie sie ist, kommt man mit einer kleinen Flasche fast ewig aus. In der Suppe werde ich vor dem Anrichten nur noch einige Spargelspitzen und ganz klein geschnittene Kartoffelwürfel gar ziehen lassen.
    Mein Mobiltelefon. Ich will es schon ignorieren, irgendwann einmal brauche auch ich frei, aber dann siegt die Neugier.
    »Mira Valensky«, sage ich ohne große Begeisterung. Ich werde sie oder ihn schnell abwimmeln. Gleich kommt Oskar.
    »Dolochow da.«
    »Sehr witzig.«
    »Hier spricht Boris Dolochow.«
    Ich höre einen russischen Akzent, aber den kann man auch gut imitieren. Selbst Ivan Rebroff hat das geschafft.
    »Und woher soll ich wissen, dass das stimmt?«, frage ich.
    »Ich möchte mich mit Ihnen treffen.«
    Das kann nur irgendein Journalistenkollege sein, der mich auf die Schaufel nimmt.
    »Woher haben Sie meine Nummer?«, will ich wissen.
    »Das ist für mich kein Problem«, erwidert der Mann am anderen Ende. Fast bin ich geneigt, ihm zu glauben. Da ist so etwas in seiner Stimme … Er seufzt. »Also gut. Der Bürgermeister, den ich im Weinviertel getroffen habe, hat ein nervöses Augenleiden. Er zwinkert mit dem linken Auge.«
    »Tut mir leid, ich hab ihn nicht gesehen. Beschreiben Sie mir die Wohnung in Wien.«
    »Ich habe keine Wohnung in Wien. Ich kenne keine Wohnung«, kommt es eindeutig ungehalten zurück. Und was, wenn es doch der Oligarch ist? Ich überlege fieberhaft. Was habe ich nicht geschrieben, das er nur wissen kann, wenn er wirklich Dolochow ist? »Mit welchem Wagen waren Sie im Weinviertel? Und: Waren Sie allein? Und: Wie oft waren Sie dort?«
    »Mercedes. Mit Fahrer. Zwei Mal.«
    Ich schlucke. Könnte doch sein, dass der Typ wirklich Dolochow ist. Oder er weiß zumindest eine Menge. Und wenn es eine Falle ist? Denk daran, es ist gar nicht so lange her, da wurde ein Kritiker des damaligen russischen Präsidenten mit einer radioaktiven Substanz ermordet. Du bist keine Kritikerin irgendeines Präsidenten, Mira.
    »Ich will ein Treffen«, wiederholt er.
    Irgendwo, wo viele Menschen sind. Das hat dem Verstrahlten auch nichts genützt. Aber jedenfalls besser als unter vier Augen. »In Ordnung. Im Café ›Landtmann‹. Wann?«
    Ich höre, wie er sich auf Russisch mit jemandem berät.
    »Ich will privates Treffen, ich kann jetzt nicht brauchen, von Leuten in Wien gesehen zu werden.«
    An sich wäre mir das ja auch lieber, denn wenn es dumm hergeht, erkennt ihn ein Journalist und … Ich habe eine Idee. »Ich habe eine Freundin, sie hat ein kleines Reinigungsunternehmen in einer ruhigen Straße. Bei ihr könnten wir uns treffen, ohne dass uns jemand sieht.«
    Jetzt berät er sich nicht. »Das passt. Morgen. 13.30 Uhr.«
    Ich staune. »Sie sind in Wien?«
    »Ich brauche Adresse.«
    Ich gebe ihm die Adresse, und als Oskar hereinkommt, stehe ich noch immer vor dem Herd und starre gedankenverloren auf mein Mobiltelefon.
    »Was ist?«, fragt er.
    »Das war Dolochow.«
    »Der Oligarch?«
    Ich nicke. »Sieht aus, als ob er leben würde.«
    »Oder als ob dich jemand in eine Falle locken will. Du hast versprochen, nur diese eine Reportage zu schreiben und dann die Finger von allem zu lassen.«
    »Ich treffe ihn morgen bei Vesna.«
    »Was hat die damit zu tun?«
    »Er will ein Treffen unter vier Augen. Und sie kann aufpassen, falls es eine Falle ist.«
    »Du musst Zuckerbrot anrufen. Das ist eine Nummer zu groß für euch. Was sage ich: drei Nummern!«
    Ich ziehe ein böses Gesicht. Er soll uns nicht unterschätzen. »Hast du meine Story schon gelesen?«
    »Klar.«
    »Ich hab doch eine Menge herausgefunden – mit Vesnas Hilfe –, oder?«
    »Spannend ist die Geschichte, das gebe ich zu. Warum hast du eigentlich die Flucht am Arlberg nicht erwähnt? Kann es sein, dass du da weiterrecherchieren willst?«
    Manchmal kann ich seinen analytischen Verstand gar nicht leiden.
    »Ich hab dir ein Spargelmenü gekocht«, lenke ich ab. »Kein Wort mehr von irgendwelchen Russen heute Abend, okay?«
    Oskar verzieht sich ins Schlafzimmer. Jetzt tauscht er wohl seine Anzughose gegen Jeans. So schnell wie möglich richte ich den Salat an: Rucola auf zwei Teller verteilen, rohe grüne Spargelspitzen darüber. Marinade aus Olivenöl, weißem Balsamico, Salz, Zucker,

Weitere Kostenlose Bücher