Russen kommen
im Layout.
»Ich lade dich ein zum Türken«, sagt Droch, »das haben wir uns verdient. Eine Bedingung: kein Wort über irgendwelche Russen.«�
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S chon am Nachmittag geht es los. Das »Magazin« hat, wie es in solchen Fällen üblich ist, an die Presseagentur eine Vorabmeldung über den Mord an Dolochow gegeben. Seit sie im System steht, kann ich mich vor Anrufen von Journalistenkollegen kaum retten. Ich schicke jedem, der das will, meine Reportage vorab. Sie werden uns zitieren müssen. Ich weiß, was es zu bedeuten hat, dass sie mich anrufen: Zuckerbrot und Czerny geben weiterhin keine Informationen an die Medien. Zur Sicherheit haben wir Peter, den jungen Chronik-Redakteur zur Polizeidirektion geschickt. Nur für den Fall, dass es doch noch eine eilig einberufene Pressekonferenz geben sollte.
Der Chefredakteur gratuliert mir, und diesmal freut mich sein Lob schon viel mehr. Ist vielleicht gar nicht so übel, dieser Klaus Feldner. Als die ersten Hefte in den Straßenverkauf gehen, stoßen wir mit einem Glas Prosecco an.
Nur drei Stunden später stehe ich in meiner Küche. Gismo weicht mir nicht von den Beinen, es könnte ja etwas abfallen für sie.
»Du magst keinen Spargel«, necke ich sie und schäle weiter. Wunderschöner Spargel aus dem Marchfeld, heute frisch gestochen. Ich habe mir einen kleinen Ausflug einige Kilometer über die Wiener Stadtgrenze hinaus nach Aderklaa gegönnt und Spargel geholt. Ich koche uns ein Spargelmenü:
Grüner Spargelsalat mit Rucola
Klare Spargelsuppe mit Chili
Gewokter Sesam-Spargel mit Wels
Biohühnerbrust auf Marchfelder Spargelspitzen.
Nur beim Dessert verzichte ich auf den Spargel, an einem Stand am Straßenrand hat es frischen Rhabarber gegeben. Ich habe wenig Wein und Zucker mit einer Zimtstange zum Kochen gebracht, den Rhabarber in schmale Stücke geschnitten und nur ganz kurz aufgekocht. Danach einfach eine Packung Tortengelee eingerührt, alles in kleine Silikonförmchen gefüllt, ab in den Kühlschrank und fertig sind die einfachsten Rhabarber-Törtchen der Welt.
Auf dem Herd kocht ein Topf mit Wasser und etwas vegetarischer Suppenwürze, Hühnerfond wäre natürlich noch besser, aber dafür habe ich heute keine Zeit. Ich gebe alle Spargelschalen dazu, Salz, Zucker, ein Stück Butter und lasse die Schalen eine Viertelstunde auskochen. Der ganze Rummel des Nachmittags fällt von mir ab. Der gefolterte und ermordete Russe kommt mir jetzt wie eine Figur aus einem schlechten Film vor. Vielleicht ist es ein Polit-Thriller. Jedenfalls mag ich keine Filme, in denen Tote Maden in den Augen haben. Das Welsfilet schneide ich in fingerdicke Streifen und mariniere es mit etwas frischem Ingwer, Salz, Zucker. Die ganz dünnen grünen Spargelspitzen lege ich für den Salat zur Seite. Ich kann sie roh verwenden, so frisch sind sie. Den restlichen grünen Spargel schneide ich in 5 cm lange Stücke, dazu lege ich noch einige von den dünneren weißen Spargelspitzen. Damit ist der Spargelwok mit Wels schon vorbereitet. Die Hühnerbrust schneide ich in möglichst dünne große Scheiben, klopfe sie vorsichtig und mariniere sie mit etwas Bärlauch, Salz, Olivenöl.
Ob der Tote der Oligarch Dolochow oder dessen Zwillingsbruder ist? Ich schalte die TV -Nachrichten ein. Aber auch da wird bloß wiederholt, was ich im »Magazin« geschrieben habe. Hervorragende Werbung für unsere Zeitung. Trotzdem mache ich mir keine Illusionen: Es wird mir nicht auf Dauer gelingen, diesen Vorsprung zu halten. Jetzt sind alle hinter der Story her. Ich muss nach Zürs. Da habe ich noch eine kleine Chance. Von der seltsamen Flucht Dolochows weiß bisher nur ich. Und die damaligen Gäste. Und der Hüttenwirt. Und Sorger, den ich dummerweise danach gefragt habe. Viel Zeit bleibt mir also nicht, herauszufinden, wovor ein Oligarch in Panik davonläuft. Wenn es der Oligarch war. Aber was sollte sein Bruder am Arlberg wollen? Einfach Urlaub machen, wie viele Russen. Ich seihe den Spargelfond ab. Eines ist jedenfalls klar: Boris Dolochow dürfte kein enges Verhältnis zu seinem Bruder gehabt haben. Der gepriesene »Familienmensch« erwähnt seinen Zwillingsbruder weder auf der offiziellen Homepage noch sonst irgendwo. Ich habe auf seinen Internetseiten einfach den Suchbegriff »Wassili« eingegeben. Kein Resultat. Seine Frau kommt vor, seine beiden Töchter, siebzehn und fünfzehn Jahre alt. Seine Eltern. Sogar der Hund. Samt Foto. Was, wenn der Zwillingsbruder seit Jahren tot ist? Was, wenn ich
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