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Russisch Blut

Titel: Russisch Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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zusammengebracht hätte. »So ein bißchen entartet war’s ja schon, was er da bei sich aufhängen ließ«, sagte die alte Frau und stellte Milch und Zucker auf den Tisch. »Aber langweilig war es nie auf dem Schloß. Und ausgebeutet wurden wir Stubenmädchen auch nicht. Und was da sonst noch alles passiert sein soll«, fügte sie züchtig hinzu.
    »Und die Söhne des alten Grafen?« fragte Katalina behutsam. Kater Felix war ihr auf den Schoß gesprungen und lag nun schnurrend auf ihren Oberschenkeln.
    »Die Söhne – ach ja. Es wird ihm das Herz gebrochen haben, nachdem schon das mit seiner Frau passiert war.« Die kurzsichtigen Augen der Alten blickten ins Ungefähre. Katalina schwieg und kraulte den Dicken hinter dem Ohr. Die alte Schimmeck wußte und erzählte alles. Man mußte nur ein wenig warten.
    »Er soll seine Frau mit Prinz Maximilian erwischt haben, im Park. Gegen den konnte er ja nichts tun, das war ein Höherer. Aber sie! Sie mußte gehen. Und was hat sie geweint, als sie ihren Ältesten zum Abschied geküßt hat. Als ob sie was geahnt hätte.« Frau Schimmeck schüttelte den Kopf.
    »Der Älteste?«
    »Folkert. Er hätte das nicht tun dürfen. Sich gegen den Führer verschwören.«
    Katalina mußte ungläubig geguckt haben. »Nein, es war nicht recht!« sagte die alte Dame heftig. »Der Hitler hat uns nichts als Ärger gebracht, aber deshalb kann doch ein Soldat nicht den Eid auf seinen Oberbefehlshaber brechen!«
    Ach, dachte Katalina. Wie wäre uns geholfen gewesen, wenn ihn damals einer erwischt hätte. Rechtzeitig. Den kleinen Serbenkönig. Den Volksverhetzer, den Schlächter.
    Vielleicht hätte das die lieben Nachbarn davon abgehalten, sie wie eine Hure aus der Stadt zu jagen, weil sie einen von den »anderen« liebte – nicht ohne daß die alten Verehrer ihr vorher gründlich gezeigt hatten, was sie von ihr hielten.
    »Der andere Sohn, Gregor, der war bei der Marine. Erst hieß es, er sei tot. Dann, daß er in Gefangenschaft wäre, bei den Franzosen. Und dann – daß er sich nicht zurücktrauen würde, als die Russen kamen. Ja, die Russen. Wir hatten ja Schlimmes gehört. Und dann waren sie sogar halbwegs manierlich. Einer hat immer auf dem Flügel gespielt, schön war das. Wir Frauen mußten den Schutt wegräumen oben am Schloß. Wissen Sie, was mit der alten Kirche geschah? Ich meine, es stand ja nicht mehr viel.«
    Frau Schimmecks Stimme rückte in den Hintergrund, während Katalina die Hand über das schüttere Fell des Katers gleiten ließ und an Gavro dachte. Und an den letzten Tag in Glogovac.
    Sie blieb weit länger bei der alten Dame, als nötig gewesen wäre, um dem betagten Kater eine pulverisierte Tablette zu verabreichen und seinem Frauchen ein paar gute Worte zu sagen. Aber es lag ja auch nur noch eine Visite bei Frau Werner an – und die sparte sie sich für zuletzt auf, schon, damit sie das übliche Gläschen Sherry ohne schlechtes Gewissen trinken konnte.
    Frau Werner hatte im Gegensatz zu Frau Schimmeck keinen Sinn für die Vergangenheit und spekulierte auch nicht über die Rückkehr des Grafen. Sie glaubte weder an Recht noch an Gerechtigkeit. »Jeder erfindet sich seine neuen Gesetze. Das kennen wir. Das hatten wir schon.«
    Sie interessierte sich für den Toten. »Wenn ihn jemand auf dem Gewissen hat, dann doch wohl jemand, der von seinem Tod profitierte! Cui bono!« Also nicht die Frankens, die seinen Rat suchten, schloß die alte Dame messerscharf.
    Dafür aber kamen fast alle anderen Bewohner Blanckenburgs als freudige Mörder und Totschläger des Archäologen in Frage: »Stellen Sie sich doch bloß vor, was passiert wäre, wenn die was gefunden hätten! Erst hätten sie jahrelang die ganze Umgebung wieder auf gebuddelt, als ob wir nicht ewig und drei Tage auf einer Baustelle gelebt hätten. Und dann wäre alles ins Landesmuseum gekommen! Uns hätte das nichts gebracht. Gar nichts.«
    Und dann fragte die findige alte Dame nach Moritz Bergen. Ein Streit unter Kollegen mit tödlichem Ausgang? Katalina bezweifelte das. Sie fand zwar, daß es ganz allgemein keine wirklich guten Gründe dafür gab, daß Menschen einander die Köpfe einschlugen. Aber es gab sicherlich einleuchtendere Anlässe als unterschiedliche Auffassungen über wissenschaftliche Redlichkeit.
    »Und wenn der Tote etwas gewußt hat, dem sein Kollege nun allein nachgehen will? Wissen Sie, daß er in der Stadt gesehen wurde?«
    Das klang, als ob er etwas Verbotenes getan hätte.
    »Er war in der

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