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Russisch Blut

Titel: Russisch Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Stadtbibliothek. Er hat sich alte Karten angesehen. Und er hat nach Büchern gefragt, die aus der Schloßbibliothek stammen könnten. Als ob wir hier alle Diebe wären!«
    Frau Werners Augen blitzten. Katalina war soviel Jagdinstinkt fremd. Trotzdem merkte sie, wie auch in ihr der Zweifel wuchs. Gut, Bergen zweifelte an Rusts Redlichkeit – das sprach eher für ihn, und deshalb tötete man nicht. Es war der Gedanke an die Friesenstute, der ihr Unbehagen bereitete. Daphne war ein ausgesprochen schreckhaftes Tier, ihr Zustand schien sich sogar verschlimmert zu haben in der letzten Zeit, was auch daran liegen mochte, daß sie viel zu oft im Stall stand. Warum schafften sich Menschen Pferde an, wenn sie sich nicht um sie kümmern konnten?
    Vielleicht war Rust naiv und mit den besten Absichten auf die Stute zugegangen und hatte nicht gewußt, wie Pferde sich aufführen, wenn sie der Hafer sticht? Katalina schüttelte den Kopf. Sie ließ sich anstecken von der allgemeinen Lust an Mord und Totschlag. Man mußte den Obduktionsbericht abwarten.
    »Es interessieren sich entschieden zu viele Menschen für Blanckenburg, ohne daß dabei etwas herausspringt für Schloß oder Stadt«, endete Frau Werner und leerte ihr drittes Gläschen Sherry. Vielleicht hatte sie recht.

2
    Zeus war völlig aus dem Häuschen, als sie nach Hause kam, und ließ sich auch durch einen gefüllten Freßnapf nicht daran hindern hinauszustürzen. Er lief voran, Katalina hinterher. Eigentlich hatte sie als erstes in den Turmflügel gehen wollen, um nach dem alten Herrn zu gucken. Aber Zeus schlug den Weg zur Pferdekoppel ein, und da mußte man folgen. Hundeglück war bestechend leicht zu haben: Der kleine Kerl steckte seine Nase in jedes Gebüsch und nahm jeden zweiten Grasbüschel zum Anlaß, das Bein zu heben und ihn mit großer Konzentration mit seiner Duftmarke zu versehen. Die Welt war ein Paradies aus Gerüchen und Geräuschen, mal raschelte etwas im Laub, mal surrte etwas vorbei, dem man hinterherspringen mußte.
    Hinter der Wegbiegung fing Zeus plötzlich an zu kläffen und raste davon.
    Sie hätte ihm die Leine anlegen sollen. Katalina beschleunigte ihren Schritt, bis sie das liebe Vieh eingeholt hatte. Der Hund sprang verzückt an dem schlaksigen Mann empor, der mitten auf der Koppel stand. Daneben Daphne, die den Kopf fromm gesenkt hielt und offenbar nur darauf wartete, gestreichelt zu werden.
    Die Stute wirkte mindestens so entspannt wie Woodstock. Aber was wollte Moritz Bergen bei den Pferden? Sie fand seine Anwesenheit ärgerlich. Sie hatte sich alle Mühe gegeben, das Tier nach dem Zwischenfall mit Rust wieder an den Geruch, an die Stimme, an die Nähe von Menschen zu gewöhnen. Sie hatte dafür gesorgt, daß die Pferde Auslauf hatten, hatte schon daran gedacht, sie regelmäßig zu reiten. Sie war froh, daß Erin, Sophie, Peer und Alex wieder in Berlin waren und nicht weiter stören konnten – Erin mit ihrer Ängstlichkeit, die jedes Pferd spürte. Sophie mit ihrer hektischen Art, ihren flatternden Kleidern und Hüten und ihrer ewigen Zigarettenraucherei. Da bedurfte es keines dahergelaufenen Archäologen.
    Der Mann ging in die Knie und hob irgend etwas auf. Dann machte er eine Handbewegung. Daphne stieß einen Schrei aus, Zeus setzte sich vor Schreck auf die Hinterbeine und blaffte, das Pferd buckelte und schoß davon.
    »Was machen Sie da, verdammt!«
    Bergen drehte sich um. Er hatte einen dieser albernen Cowboyhüte in der Hand. Sein Gesicht war ernst, als er langsam auf sie zuging.
    »Hallo, Katalina«, sagte er und stellte sich neben sie an den Zaun. Einen Moment lang ärgerte sie sich über diese Vertraulichkeit, obwohl alle sie so nannten.
    Daphne schnaubte noch immer, schüttelte ihre Mähne und lief unruhig um Woodstock herum, der stoisch die Nase im Gras behielt.
    »Warum machen Sie Daphne nervös?«
    »Ich mache sie nicht nervös. Ich will wissen, worauf sie nervös reagiert.« Er schaute auf den Hut in seiner Hand. »Auf Hüte, zum Beispiel.«
    Hüte. Sie starrte auf ihre rechte Fußspitze, die ganz von allein ein Muster auf den Feldweg zu zeichnen versuchte. Das würde einiges erklären. Ähnlich erregt hatte Daphne reagiert, als sie einmal, es regnete leicht, mit einem Südwester auf dem Kopf vorbeigekommen war, den sie sich tief in die Stirn gezogen hatte.
    »Rust muß einen Hut getragen haben, als er hier auf der Koppel bei den Pferden stand. Jedenfalls hat man die Überreste eines Stetson Dayton gefunden, zerkaut und

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