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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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Korhonen mit unverhohlenem Misstrauen.
    »Der arme Major war in Panik, er hatte Angst.«
    »Und was bist du wirklich?«
    »Nur Hauptmann.«
    Korhonen schwieg. »Ach so, nur Hauptmann«, äffte er mich dann nach.
    Ich lag auf dem Rücken, starrte an die Decke und dachte darüber nach, wie schwer das alles zu erklären war. Dass es allein im Militärdistrikt Leningrad achtzig große Militärkapellen gab und folglich tonnenweise Messinghörner und ein Gros Dirigentenstäbe mit rundem Knauf. Und Exhauptmänner gab es in ganz Russland hunderttausend.
    Und dann irrte ich im Grenzland zwischen Traum und Bewusstsein, hatte mich verlaufen, fürchtete mich aber nicht. Mutter kam mir entgegen und mein ehemaliger Boss, der tote Ryschkow, und dann noch mein Freund Karpow. Wir waren auf irgendeinem Hof, ich wusste nicht wo, konnte mich jedoch nicht aufraffen, es herauszufinden. Ein mit Brettern verschaltes altes Blockhaus stand dort, gelb-rötlich gestrichen.
    Das Fenster mit den kleinen Scheiben stand einen Spaltbreit offen, die Rahmen schwitzten den Kitt aus, und die Farbe blätterte ab. Von drinnen war Klavierspiel zu hören. Ich musste mich auf die Zehenspitzen stellen, um ins Zimmer zu schauen. Lena saß am Petrof-Flügel. Auch ich sprang hups hinein, auf den alten Sessel, wir waren in Lenas Zuhause in Leningrad, sie übte, und ich hörte zu, saß auf den Knien, die Füße unter dem Gesäß wie als kleiner Junge, aber diesmal, weil ich das Loch in meinem Strumpf verstecken wollte.
    Lena spielte, und ich stellte mir vor, die Noten flögen zum Fenster hinaus wie kleine Vögel.
    Aber wieso stand das Fenster offen, mitten im Winter, ich hatte ja Wollsocken an? Und die Wohnung von Lenas Eltern war doch in der Stadt, im dritten Stock?
    Als ich wieder auf meine Füße blickte, sah ich, dass ich blank gewienerte Schuhe trug, dazu meine komplette Paradeuniform, die Kragenspiegel ein golden flimmerndes Geflecht, in der Mitte ein tiefroter Streifen, die Sterne millimetergenau an ihrem Platz.
    Major Nikiforow wuselte um mich herum, ein Zentimetermaß um den Hals. Er lobte den perfekten Sitz der Schulterlinie und wischte den Staub von der Uniformmütze, indem er sie vorsichtig drehte wie eine Schallplatte aus Vinyl.
    Ich musste an meine Melodija-Schallplatten und an das Feuer denken und wachte auf, wurde aus dem Traum in helle Angst geschleudert, in das Wissen, dass ich gejagt wurde und dass mein Haus abgebrannt war und dass ich drohen und zurückschlagen und mich rächen musste.
    Die Müdigkeit begnadigte mich langsam. Ich sank nach und nach wieder in den Schlaf.

16
    Major Nikiforow kurvte in einem Lada auf den Hof. Sein Fahrer folgte ihm im Jeep. Ich schüttelte dem Major huldvoll die Hand und erklärte ihm, dass ich den Wagen einige Tage lang brauchen würde. Nikiforow versicherte mir, der Fahrer, ein zuverlässiger und guter Mann, habe Anweisung, meine Befehle zu befolgen. Der Wagen sei gewartet, das Öl gewechselt und jeder Schmiernippel mit der besten Vaseline eingefettet. Der Tank sei randvoll gefüllt, und mit den Propuski des Fahrers bekämen wir weiteren Treibstoff, das Benzin würde uns nicht ausgehen, selbst wenn wir bis nach Sankt Petersburg fahren würden.
    »Keine Vermutungen über das Ziel, keine Fragen nach der Route, Major«, sagte ich scharf und hob warnend einen Finger. Nikiforow beteuerte hastig, das sei nur ein schwankendes Symbol, eine Metapher, er habe mich keineswegs nach unseren Plänen aushorchen wollen.
    Er blieb leicht vorgebeugt stehen und sah uns nach, als wir den Hügel hinauf zum Kontrollpunkt brummten. Ein verschlafen aussehender junger Bursche drückte das Gegengewicht herunter, sodass sich der rotgelbe Schlagbaum hob. Der zweite Soldat stand mit ausdruckslosem Gesicht da, das Sturmgewehr vor der Brust. Seine Stiefel wirkten zu groß und schwer, es sah beinahe aus, als wären sie mit dem Boden verwachsen oder festgedübelt, und bei der Wachablösung würde einfach ein neuer Mann in die alten Stiefel steigen.
    »Nach Kostamus«, befahl ich dem Fahrer knapp.
    Wir schlängelten uns südlich des Bergwerks in die Stadt. Die gewaltige Grube des Tagebaus war hinter einem Wall verborgen. Ich hielt Korhonen keinen Vortrag über die Sehenswürdigkeiten, obwohl er den Kopf hin und her drehte und sich über die Größe der Fabrikanlagen und das vertraute Aussehen der Häuser wunderte.
    »Die sehen aus wie in … Lieksa. Oder wie in einer Art Sowjet-Hakunila«, meinte er.
    »Die Finnen haben diese Stadt gebaut,

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