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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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wir allerdings nur rund zwanzig Kilometer zurückgelegt. Der Weg schlängelte sich durch Kurven und über Hügel; ein schneller Läufer hätte unser Tempo ohne Weiteres mithalten können. An manchen steilen Abhängen hatte der Frühjahrsregen den Sand fortgespült und Felsbrocken und Baumwurzeln freigelegt. Der Fahrer musste die Strecke zu Fuß erkunden wie ein Formel-I-Pilot.
    Die Hütte der Offiziere war aus dicken Balken gezimmert und stand an einem einsamen See. Sie bestand aus einer Art Wohnstube an der Uferseite, zwei Schlafkammern am anderen Ende und Diele und Küche in der Mitte. Major Nikiforow hatte uns durch das Haus geführt, die fertig bezogenen Betten und die Sauna unmittelbar am Ufer gezeigt, die vorbereiteten Speisen angepriesen und uns dann widerstrebend allein gelassen. Nikiforow und der auf die Rückbank abkommandierte kleine Koch, dem Aussehen nach ein Burjate, hatten zum Abschied salutiert, als der Jeep in einer Wolke von Staub davonschaukelte.
    Wir waren nicht allein am Seeufer. Das einige Hektar große Areal war von einem drei Meter hohen Stacheldrahtzaun umgeben. Die Zufahrt zum Weg war durch einen Schlagbaum gesichert, neben dem ein Schilderhäuschen mit zwei Wachtposten stand. Ich vermutete, dass es irgendwo zwischen den Birken eine Wachstube gab, in der zwei weitere Zweiergruppen auf ihre Schicht warteten. Ohne ausdrücklichen Befehl würden sie nicht zur Hütte kommen, aber ich hielt es für unklug, unter freiem Himmel Finnisch zu sprechen.
    »Ich musste den Major ein bisschen einschüchtern«, erklärte ich Korhonen und warf die Etappenanweisungen, die Nikiforow in seinem Stab eingesammelt hatte, in den Kamin. »Ich möchte nicht, dass irgendwer erfährt, dass ich hier war. Oder dass die Etappe überhaupt benutzt wurde. Major Nikiforow wird es nicht wagen, darüber zu sprechen, selbst wenn man ihn direkt fragt. Er wird annehmen, dass der Fragesteller nur seine Zuverlässigkeit und Verschwiegenheit testet.«
    Korhonen stand auf und spazierte leicht gekrümmt über die Dielen, die nach Birkenholz aussahen. Er stemmte die Hände in die Seiten und ließ die Hüften kreisen.
    »Instabile Lendenwirbelsäule«, erklärte er und reckte sich vorsichtig. »Ich krieg gleich einen Krampf.«
    »Schwache Muskeln«, diagnostizierte ich. »Oder es ist psychosomatisch, du reagierst mit dem Rücken auf die nervliche Anspannung. Jedenfalls solltest du sorgfältig Dehnübungen machen und die tiefen Bauchmuskeln kräftigen.«
    »Viktor markiert den Trainer«, murmelte Korhonen.
    »Viktor weiß Bescheid und gibt guten Rat«, lächelte ich.
    Die Codelisten, die Anweisungen über Funkfrequenzen und die übermalten Landkarten flatterten als dünne Aschenblätter im Kamin. Ich stocherte mit dem Feuerhaken in den verkohlten Papieren und blies in die Glut, damit alles restlos verbrannte.
    »Das war es«, sagte ich, als ich die letzten mit meinem Code versehenen Blätter in den Kamin warf. Zuerst hatte ich vorgehabt, sie als eine Art Lebensversicherung zu behalten. Bei genauerer Überlegung war ich jedoch zu dem Schluss gekommen, dass es kaum von Vorteil sein konnte, Militärdokumente durch Russland zu tragen, schon gar nicht, wenn ich in Begleitung eines Finnen unterwegs war, eine Kalaschnikow in der Reisetasche hatte und einen Personalausweis besaß, der keiner allzu mikroskopischen Untersuchung standhielt.
    In der Sauna bedachte Korhonen die Schwitzbänke mit einem misstrauischen Blick. Ich goss Wasser auf die Steine und erklärte ihm, dass er hier keine Sitzkissen finden würde. Auch am Esstisch seufzte er schwer. Er drehte und wendete die geräucherten Barsche und fetten Würste mit der Gabelspitze und schob den mit reichlich Mayonnaise angemachten Salat beiseite. Ich schmatzte geräuschvoll und versuchte Korhonen zum Essen zu ermuntern, indem ich ihm erklärte, in meiner Risikoanalyse sei eine Magenverstimmung als zweitrangig eingestuft. Außerdem habe der sibirische Koch sich in dieser Woche sicher schon einmal die Hände gewaschen.
    Schweigend legten wir uns schlafen. Die Betten standen beide in einer Kammer, und ich drohte Korhonen, ihn aus dem Haus zu werfen, wenn er schnarchte. Die Sonne hatte sich gerade erst hinter dem gegenüberliegenden Ufer verborgen. Der helle, dünne Vorhang dimmte das Licht kaum.
    »Genosse … polkownik . So hat er dich angeredet«, sagte Korhonen unvermittelt.
    »Ach, Nikiforow. Na ja, man sagt eben immer noch Genosse«, erklärte ich.
    »Aber heißt das nicht Oberst?«, fragte

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