Russische Freunde
möchte. Liess sich da überhaupt noch etwas machen, zumal nach der Annahme der Zweitwohnungsinitiative? Vorläufig kam ich nicht dazu, meine Geschichte anzubringen. Das Telefon nahm die Sekretärin ganz in Anspruch, und, eine Entschuldigung lächelnd, wandte sie sich von mir ab.
Plötzlich stand Perren neben mir. Er war aus einem der hinteren Räume aufgetaucht und begleitete einen Mann und eine Frau zum Empfangspult. Er schien seine Sekretärin zu benötigen, mir nickte er nur beiläufig zu. Einen sehr nachhaltigen Eindruck hatte ich also nicht hinterlassen auf dem Polizeiposten von Leukerbad. Hier in der Stadt wirkte seine Sonnenbräune, obschon sie vermutlich echt war, unpassend. Perren war korrekt und teuer gekleidet, seine leicht gewellten Haare waren ordentlich nach hinten gekämmt, trotzdem hatte er etwas von einem Bauern an sich. Die für die Stadt etwas zu groben schwarzen Schuhe, die sonnengegerbte Haut, die gross angelegte Bewegung, mit der er jetzt über den Tresen reichte, um sich die Agenda zu greifen.
«Ja, wenn wir sonst keinen Termin finden, müssen wir fast zusammen essen gehen. Was meint ihr? So können wir’s auch lösen.»
Der Vorschlag wurde begleitet von dienstfertigem, jovialem Lachen.
«Ja, wieso nicht. Was haben wir denn nächste Woche alles los?», fragte der Mann seine Frau.
«Mittwoch würde uns gehen. Ausser du willst dann ins Fitness», antwortete sie.
Perren erkundigte sich interessiert nach dem Fitnessclub, in dem der Mann trainierte, dann wechselten sie zum Thema Tennis. Ohne das Gespräch mit den beiden Klienten zu unterbrechen, warf Perren einen Blick in einen Aktenordner, der offen auf dem Empfangspult lag. Die Sekretärin bemühte sich inzwischen hörbar, das Telefonat zu beenden, um sich um ihren Chef kümmern zu können. Ich, in Jeans und Windjacke, wartete. Von hinten trat ein blasser junger Mann heran.
«Adrian, da liegt ein Dossier von dir», diesen befehlsgewohnten, ziemlich schneidenden Ton kannte ich vom Polizeiposten von Leukerbad. Mit einer ruckartigen Kinnbewegung wies Perren den blassen Jüngling auf den Ordner hin, in dem er eben gerade geblättert hatte und der jetzt wieder offen dalag.
Inzwischen hatte die Sekretärin das Telefon beendet und versprach dem Chef, für Mittwochabend im gewünschten Restaurant einen Tisch zu reservieren. Sie war mit ihm per Du. Das Ehepaar wurde zuvorkommend verabschiedet, und Perren verschwand in seinem Büro. Für mich fand die Sekretärin einen Termin in sechs Wochen. Ohne mit den Wimpern zu zucken, nannte ich mich Monika Herzig.
Perren war eine einnehmende Person, erfolgsgewohnt, gut aussehend, kommunikativ. Ausserdem war er vermutlich ziemlich rücksichtlos. Aber neben all dem hatte er etwas Lächerliches an sich. Beim Hinausgehen fiel mir ein, an wen er mich erinnerte. Die übertriebene Eifrigkeit, die manchmal durchdrückte, die gewellten und nach hinten gekämmten Haare. Perren erinnerte mich an Gustav Gans. In Bergschuhen.
Bereits zum dritten Mal lief ich den Gang ab, alle Türen sorgfältig studierend, AdFin fand ich nicht. Obschon AdFin unten angegeben war, auf der Tafel mit den Firmenschildern in der Eingangshalle. AdFin, 2. Stock. Am ehesten kam eine milchige Glastür in Frage, neben der ein Metallschild mit einem kyrillisch geschriebenen Namen angebracht war, zu lang, um AdFin zu heissen, aber immerhin russisch. Ein Karton «Change» baumelte an der Tür, ein auf der Scheibe angebrachter Plastikkleber gab die «Opening Hours» bekannt.
Ich klopfte, eine Stimme forderte mich auf, hereinzukommen. Der Raum, den ich betrat, war unerwartet klein und schäbig. Er wirkte wie ein vergessenes Postbüro in einer entlegenen Gegend. Hinter zwei Schaltern sassen zwei Männer und starrten mich überrascht an. Ich schwankte zwischen den beiden Männern hin und her, unentschlossen, an wen ich mich wenden wollte, denn beide sahen mich erwartungsvoll an. Ich entschied mich für rechts, den jüngeren, und überlegte hastig, was ich nun sagen sollte.
«Ich hätte ein paar Fragen – äh, falls ich hier richtig bin, bei AdFin.»
Keiner der beiden reagierte. Während der Pause, die folgte, waren ihre Augen auf mich gerichtet. Ich fuhr weiter.
«Es ist so, ich habe hier mit meiner Tochter abgemacht. Ich möchte, dass sie dabei ist, sie sollte auch hören, um was es geht. Ich darf sicher hier einen Moment auf sie warten, sie müsste jeden Moment kommen?»
«Ja, natürlich», erhielt ich als Antwort, die Männer sahen sich an und
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