Russische Orchidee
natürlich, Muchin ist es gewesen, der will nun Sanja den Mord anhängen, ich weiß alles, aber ich sage dir absichtlich nichts.« Kira Georgijewna grinste sarkastisch. »Kommst du eigentlich gar nicht auf die Idee, mein liebes Kind, daß es Gründe dafür geben muß, wenn ihn jemand in eine solche Falle lockt? Mit mir zum Beispiel würde das niemand tun.«
Natascha gab keine Antwort, sie schluckte ihre Tränen hinunter und ging ins Bad, um die Milch für den Säugling in das Fläschchen abzupumpen.
Zum Abschied, als sie schon im Treppenhaus standen, sagte Kira Georgijewna mit lauter, triumphierender Stimme, ohne sich im mindesten vor der Nachbarin zu genieren, die auf den Lift wartete: »Du mußt jetzt natürlich zum Anwalt gehen und dich beraten lassen, wie du am schnellsten eine rechtskräftige Scheidung bekommen und die Wohnung tauschen kannst. Hast du mich verstanden?«
Kapitel 7
Mit der Mutter des Ermordeten zu sprechen war derart schwierig, daß Borodin sich ernsthaft für diese Dame zu interessieren begann. Jelena Petrowna Butejko hielt sich tapfer, man hätte nicht gedacht, daß sie vor kurzem ihren einzigen Sohn verloren hatte, aber aus irgendeinem Grund wollte sie viele Fragen nicht beantworten, selbst ganz einfache und harmlose nicht.
»Wieso mischen Sie sich in unser Leben ein? Was hat das alles mit unserem Leid zu tun?« Sie kippte ein Gläschen Wodka mit Valokordin hinunter, verzog das Gesicht, schüttelteden Kopf und starrte Borodin mit trockenen, bösen Augen an.
»Ich leite die Untersuchung des Falls«, erinnerte er sie.
»Wozu? Der Mörder ist am Tatort festgenommen worden. Was gibt es da zu untersuchen? Man muß ihm den Prozeß machen. Verurteilen und erschießen!«
Borodin saß an einem wackligen Küchentisch am Fenster. Auf dem Tisch lag eine schäbige Wachstuchdecke mit Obstmuster, im gleichen Muster waren auch die Küchenwände tapeziert. Auf den weißen Plastiktüren des kleinen Büfetts klebten noch die bunten Reste von Abziehbildern.
»Schreien Sie doch nicht so«, bat Borodin, »die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen und Anissimows Schuld noch nicht bewiesen.«
»Was wollen Sie da noch beweisen? Der Mörder gehört vor Gericht, und Sie versuchen, eine Familie in den Schmutz zu ziehen, die ohnehin schon zerstört ist. Ich kenne die Gesetze. Ich bin nicht verpflichtet, Ihnen auf Fragen zu antworten, die meiner Familie und mir schaden können!« fauchte Jelena Butejko.
»Wieso sollten sie Ihnen schaden?« erkundigte sich Borodin seufzend. »Ich habe Ihnen eine einfache Frage gestellt: Was hat Ihr Mann beruflich gemacht?«
Die Butejko stand jäh auf und begann in der winzigen Küche auf und ab zu laufen. Ihr Gesicht war ganz rot geworden, ihre trockenen Augen funkelten.
»Mein Mann liegt im Krankenhaus. Er hatte einen Herzinfarkt. Wie können Sie es wagen, in seiner Vergangenheit herumzuschnüffeln? Das geht Sie nichts an! Das hat überhaupt nichts mit dem Fall zu tun!« Sie schrie so laut, daß es Borodin in den Ohren gellte.
»Entschuldigen Sie, Jelena Petrowna, warum regen Sie sich denn so auf?«
»Ich rege mich auf, weil man meinen Sohn ermordet hat! Weil mein Mann schwer krank ist!«
»Ich verstehe und fühle mit Ihnen.«
»Auf Ihr Mitgefühl kann ich verzichten. Es ist keinen roten Heller wert, Ihr Mitgefühl! Meinen Jungen bringt es mir nicht zurück! Ich weigere mich, auf Ihre idiotischen Fragen zu antworten.«
»Sie weigern sich«, nickte der Untersuchungsführer verständnisvoll, »gut, dann wollen wir Ihre Weigerung offiziell zu Protokoll nehmen.«
»Mein Sohn ist tot. Mein Mann liegt mit einem Herzinfarkt auf der Intensivstation. Haben Sie denn überhaupt kein Gewissen? Ich werde mich über Sie beschweren.«
»Jelena Petrowna, Sie können sich natürlich beschweren, das ist Ihr Recht.« Borodin bemühte sich, so sanft wie möglich zu sprechen. »Ich kann Ihren Gemütszustand verstehen, aber Ihre Reaktion auf meine einfachen Fragen kommt mir seltsam vor. Ich habe Sie doch nur gebeten, mir zu erzählen, was Ihr Mann früher gemacht hat.«
Jelena Butejko stand auf und verließ die Küche. Einen Moment später kam sie zurück und schleuderte mit heftiger Bewegung ein Arbeitsbuch auf den Tisch.
»Da, sehen Sie selbst!«
Der berufliche Werdegang von Butejko senior erwies sich als ausgesprochen langweilig. Nach dem Abschluß der Kunstfachschule 1965 hatte Wjatscheslaw Iwanowitsch Butejko als Meister in einer Reparaturwerkstatt für Metallwaren gearbeitet.
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