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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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verdient. Natürlich hat Artjom gelogen. Er hatte schon immer eine blühende Phantasie.«
    Das Telefon klingelte, Natascha zuckte zusammen, sprang auf und stürzte in die Küche.
    »Entschuldige. Ich kann nicht. Der Untersuchungsführer ist bei mir«, hörte Borodin ihre laute, aufgeregte Stimme. »Ich weiß nicht. Sobald er weg ist, komme ich. Nein, ich habe nichts gesagt … Mama, hör auf … Er befragt mich, nicht dich. Wowa Muchin hat überhaupt nichts damit zu tun … Deshalb, weil du bloß alles verdirbst. Bitte, bitte, misch dich nicht ein. Ich kann selber entscheiden, was wichtig und was unwichtig ist. Also tschüs jetzt. Was weiß ich, mach ihm Brei. Tschüs, ich muß aufhören … Nein, hab ich gesagt!«
    Natascha kehrte ins Zimmer zurück, setzte sich schwer atmend wie nach einem Langstreckenlauf in den Sessel. Borodin fing ihren erschrockenen, nervösen Blick auf.
    »Hat Butejko Ihren Mann mal ins Fernsehen eingeladen?«
    »Ja, aber das ist schon sehr lange her, das war vor drei Jahren. Da waren wir noch nicht verheiratet. Sanja hat erzählt, Butejko hätte sich irgendeine idiotische Talkshow ausgedacht, ihn als die Hauptperson eingeladen, ihm eine Maske aufgesetzt und ihn irgendwelchen Blödsinn quasseln lassen. Aber das ist danebengegangen. Außerdem war eine bekannte Fernsehmoderatorin als Gast da. Die Beljajewa, glaube ich. Sie fing an, Fragen zu stellen, und es wurde schnell klar, daß die ganze Geschichte getürkt war. Butejko hat sich überhaupt nie etwas Vernünftiges ausgedacht. Sanja wäre vor Scham fast gestorben, nur gut, daß er eine Maske aufhatte.«
    »Und warum wollten Sie mich eben nicht ans Telefon holen, als Ihre Mutter Sie darum gebeten hat, Natalja Wladimirowna?« erkundigte sich Borodin in ruhigem Tonfall.
    Sie verzog das Gesicht wie von einem plötzlichen Schmerz, kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf.
    »Ich kann nicht mehr … ich kann nicht. Haben Sie gelauscht? Ich hab’s ja gewußt!«
    »Nichts dergleichen«, sagte Borodin lächelnd, »Sie haben nur einfach die Tür nicht zugemacht und sehr laut gesprochen. Wer ist denn dieser Wowa Muchin?«
    »Niemand.«
    »Ihnen ist doch klar, daß ich ohne weiteres Ihre Mutter anrufen und feststellen kann, worüber sie mit mir sprechen wollte?«
    »Ich weiß.« Natascha nickte resigniert. »Aber bitte, tun Sie das nicht. Sie wird nur alles durcheinanderbringen.«
    »Natalja Wladimirowna, es liegt mir fern, Ihren Mann auf die Anklagebank bringen zu wollen, wenn er wirklich unschuldig ist«, sagte Borodin leise.
    »Glauben Sie denn, daß er unschuldig ist?« Natascha hob den Blick und sah ihn zum ersten Mal aufmerksam an.
    »Sagen wir so, ich schließe nicht aus, daß Butejko von jemand anderem ermordet wurde«, erwiderte Borodin langsam, »aber das wird sehr schwer zu beweisen sein.«
    »Aber warum?« Sie kniff plötzlich böse die Augen zusammen. »Warum wollen ausgerechnet Sie das beweisen?«
    »Ja, tatsächlich, wozu mache ich so viele Umstände?« seufzte Borodin. »Ihr Mann ist am Tatort festgenommen worden, der Schuß wurde aus seiner Pistole abgefeuert, er hat ein Motiv für den Mord. Wozu stelle ich Ihnen noch Fragen? Wozu bin ich überhaupt zu Ihnen gekommen? Ich hätte Sie auch zur Staatsanwaltschaft bestellen, offiziellverhören und dann die Sache mit ruhigem Gewissen ans Gericht weitergeben können. Anissimow, Alexander Jakowlewitsch, würde nach Artikel 105, vorsätzlicher Mord, verurteilt werden und fünfzehn Jahre bekommen. Der Anwalt, der für seine Dienste fünftausend Dollar verlangt, kann vielleicht eine Milderung des Urteils erreichen, und Ihr Mann bekommt nur zehn Jahre im normalen Strafvollzug. Aber mehr dürfte er für Sie kaum herausschlagen, es gibt zu viele direkte Indizien und Beweise für die Schuld Ihres Mannes.«
    »Ja!« unterbrach ihn Natascha. »Zu viele! Aber Sanja hat die Pistole gar nicht mitgenommen, als er aus dem Haus ging. Er ging zu einem Geschäftsessen, zu irgendwelchen Verhandlungen, und überhaupt hat er sie seit letztem August nicht mehr angerührt. Die Pistole hat immer nur in der Schublade gelegen …«
    »Hat er in Ihrer Gegenwart irgendwann mal damit geschossen?«
    »Einmal auf der Datscha, auf eine Birke. Er hat mit einem Filzstift Kreise auf ein Stück Pappe gemalt, hat die Pappe am Baumstamm befestigt, aber ins Zentrum getroffen hat er kein einziges Mal. Verstehen Sie, für ihn war die Pistole einfach ein Spielzeug. Aber das wichtigste … Das allerwichtigste ist, daß zu der

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