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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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dem Nagel hervorquoll, setzte sie sich auf den Fußboden und schluchzte.
    Ich mache einfach die Tür nicht auf! Ich bin eben nicht zu Hause – basta!
    Aber da war sie auch schon wieder aufgestanden und öffnete die Tür.
    Borodin erblickte ein erschrockenes, verheultes Mädchen von etwa sechzehn Jahren, das nur einen Stiefel anhatte.
    »Guten Tag, Natalja Wladimirowna.« Er streckte ihr die Hand entgegen und drückte ihre kleine eiskalte Kinderhand. Dabei bemerkte er das Blut an ihrem Finger.
    »Was ist passiert? Haben Sie sich geschnitten?«
    »Nein. Ich habe mir den Nagel abgebrochen. Guten Tag, kommen Sie doch bitte herein. Ich habe aber nur sehr wenig Zeit, ich muß noch zu meiner Mutter, das Kind abholen«, erklärte sie, während sie sich bückte und erbittert an dem Reißverschluß des Stiefels zog. Ein Stückchen Stoff ihrer alten Jeans hatte sich darin verhakt.
    »Quälen Sie sich nicht damit herum, Sie machen ihn nur kaputt«, riet ihr Borodin, »ziehen Sie lieber den anderen an, wenn Sie sowieso gleich wieder wegmüssen. Ich werde Sie nicht lange aufhalten.«
    »Sie sind Ilja Borodin? Der Untersuchungsführer?«
    »So ist es.« Er nickte. »Aber das hätten Sie eigentlich fragen sollen, bevor Sie die Tür geöffnet haben.«
    »Ja, vermutlich.« Sie zog sich den zweiten Stiefel an. »Gehen wir doch ins Wohnzimmer.«
    Es gab nur wenige Möbel in der Wohnung. Mitten im Wohnzimmer stand ein Laufstall, an dem mehrere Strampelanzüge hingen.
    »Nur ein paar Fragen. Warum wollen Sie den Ring verkaufen?«
    »Ich muß den Anwalt bezahlen. Meinen Mann hat man hereingelegt. Es wird schwer sein, das zu beweisen, ohne Anwalt kommt man da nicht aus.« Sie reckte das Kinn in die Höhe und blies sich eine blonde Strähne aus der Stirn. »Und überhaupt, wenn Sie mich verhören wollen, ich rede nur in Anwesenheit meines Anwalts mit Ihnen.«
    »Ach so? Na gut. Aber vorläufig ist das noch kein Verhör, sondern nur ein Gespräch. Kann ich mich einfach ein wenig mit Ihnen unterhalten?«
    »Können Sie«, brummte sie und wandte sich verlegen ab.
    »Danke«, lächelte Borodin. »Sagen Sie, waren Sie denn schon beim Anwalt? Hat er Ihnen einen Preis genannt?«
    »Ja.«
    »Wieviel, wenn es kein Geheimnis ist?«
    »Sehr viel. Fünftausend Dollar.«
    »Das ist wirklich eine große Summe. Das Geld, das Butejko Ihrem Mann schuldete, käme Ihnen jetzt sehr gelegen. Richtig?«
    »Butejko hatte bei vielen Leuten Schulden. Er lebte ja auf Pump«, murmelte sie kaum hörbar und wurde rot. Sie hatte eine sehr zarte weiße Haut, die sich mit hellroten Flecken bedeckte, wenn sie errötete.
    »Bei wem hatte er denn noch Schulden außer bei Ihrem Mann?«
    »Bei allen, bei denen was zu holen war. Fragen Sie seine Bekannten, sie werden es Ihnen erzählen. Mein Mann könnte niemals jemanden umbringen, nicht mal Butejko.«
    »Wieso ›nicht mal‹?«
    »Weil Butejko über jeden nur schlecht geredet und geschrieben hat. Mein Mann hat damit gar nichts zu tun«, sagte sie so rasch und leise, daß Borodin den Sessel näher rücken mußte. Die Rollen quietschten, Natascha zuckte zusammen, hob ruckartig den Kopf, pustete wieder die Ponyhaare aus der Stirn und fügte laut, fast schreiend hinzu: »Butejko hat jede Menge Feinde, auch unter den Prominenten. Er hat alle mit Schmutz überschüttet, alle gehaßt, und alle haben ihn gehaßt. Jeder x-beliebige könnte einen Killer engagiert haben. Irgendwer hat von dem geliehenen Geld erfahren, Sanja in die Falle gelockt und reingelegt.«
    »Gut, Natalja Wladimirowna, ich verstehe. Seien Sie nicht so aufgeregt. Sagen Sie bitte, kennen Sie Butejkos Eltern schon lange?«
    »Mein Mann und ich waren bei Artjom zu Besuch.« Ihre Stimme sank wieder zu einem Flüstern herab, sie bewegte die Schultern, als versuche sie ein nervöses Zittern zu unterdrücken.
    »Oft?«
    »Nein. Zwei- oder dreimal.«
    »Und woher wissen Sie, daß Butejkos Vater etwas von Juwelen versteht?«
    »Sanja hat es erzählt, und Artjom selber hat es auch mal gesagt.«
    »Erinnern Sie sich noch an Einzelheiten? Was genau hat Artjom gesagt?«
    »Ach, das waren seine üblichen Aufschneidereien. Wir unterhielten uns über die Emigration, darüber, wie Ende der siebziger Jahre die Juden nach Israel auszuwandernbegannen, und Artjom erzählte, welche Tricks sie sich ausgedacht hätten, um ihr Gold herauszuschmuggeln. Sie ließen sich Seifendosen aus Gold anfertigen, Rasierklingen, Kofferbeschläge, Knöpfe. Und sein Vater hätte damit einen Haufen Geld

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