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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Kossizki sah die Experten-Gutachten durch.
    Anissimows Zurechnungsfähigkeit war geprüft worden. Der Psychiater aus dem Gannuschkin-Krankenhaus erklärte, zum Zeitpunkt der Untersuchung sei Anissimow zurechnungsfähig gewesen, möglicherweise liege jedoch eine retrograde Amnesie vor. Das hatte indirekt auch die Blutanalyse bestätigt.
    Im Blut Anissimows war eine Substanz gefunden worden, die zur Gruppe der Halluzinogene gehört und narkotisierend wirkt. Sie lähmt vorübergehend die Gehirntätigkeit. Zum Zeitpunkt des Mordes war sie zusammen mit Alkohol bereits in Anissimows Organismus gewesen, und in diesem Zustand hätte er nicht mehr schießen können, selbst wenn er es gewollt hätte.
    »Dann müssen wir ihn also entlassen?« fragte Kossizki.
    »Wenn du aus eigener Tasche eine Rund-um-die-Uhr-Bewachung für ihn, seine Frau und sein Kind bezahlst und er unterschreibt, daß er vorläufig in Moskau bleibt, dann können wir ihn entlassen.« Borodin legte seine beiden Piroggen auf einen Teller und goß sich Tee ein.
    Außer den Piroggen hatte er noch Schinkenbrote dabei, auf jedem Brot lag eine Gewürzgurke und ein Dillzweiglein.
    »Ich würde ihn ja liebend gern zu Frau und Sohn nach Hause schicken, aber vorläufig wird das nicht möglich sein.« Borodin verrührte den Zucker in seiner Londoner Teetasse, nahm einen Schluck, kniff einen Moment lang die Augen zusammen und überlegte, welche Pirogge er zuerst verspeisen sollte, die mit Kohl oder die mit Hähnchenleber. »Sonst, was Gott verhüten möge, bringt dieses Muskelpaket mit den breiten Schultern und dem kurzen Hals, dieser Kerl, der so schnell rennen kann, Anissimow und seine Frau noch um.In einem Wutanfall, verstehst du, um sich zu rächen. Was magst du lieber, Kohl oder Hähnchenleber?«
    »Kohl.«
    »Dann nimm diese hier, die runde.«
    »Man könnte ihn doch freilassen, aber unter Bewachung stellen und auf diese Weise versuchen, den Mörder zu ködern. Wenn Sie so sicher sind, daß er …«
    »Ich bin mir nur in einem sicher, Iwan, ich werde nicht zulassen, daß Anissimow oder seine Familie als Köder mißbraucht werden«, unterbrach ihn Borodin rasch und ärgerlich. »Ich arbeite bei der Staatsanwaltschaft und nicht in einem Anglerclub. Anissimow soll ruhig noch eine Weile sitzen, in dieser Zeit wird ihm nichts passieren, zumal er ja auch nicht mehr im Gefängnis ist, sondern in der Gannuschkin-Klinik. Dort hat man das Gutachten erstellt, und ich habe darum gebeten, daß man ihn separat von den anderen Kranken in einer Einzelzelle hält.«
    »Wieso, randaliert er denn?« fragte der Hauptmann erstaunt.
    »Nein, er benimmt sich ganz normal. Ich habe meine Beziehungen spielen lassen, damit er sich ein wenig erholen kann. Der Leiter der Abteilung ist ein alter Bekannter von mir. Auf jeden Fall hat er es dort erheblich besser als in einer Gefängniszelle, besonders, wenn er nicht behandelt wird.«
    »Sind Sie denn sicher, daß der Mörder ein solches Risiko eingehen würde? Logischer wäre es doch, wenn er jetzt untertaucht und sich versteckt. Blöd scheint er schließlich nicht zu sein.«
    »Nein, das ist er bestimmt nicht. Er hat sich alles sehr gut überlegt, und wenn er erfährt, daß seine geniale Konstruktion erheblich ins Wanken geraten ist, wird er schrecklich aufgebracht sein und könnte vor lauter Wut eine Dummheit machen. Im Prinzip hätte er Butejko ja einfach im Hof auflauernund ihn dort erschießen können, wie das in solchen Fällen meist gemacht wird. Aber er wollte unbedingt eine raffinierte Inszenierung. Weißt du, was daraus folgt?«
    »Er wußte von vornherein, daß er zu den Hauptverdächtigen zählen würde?«
    »Nein, Iwan. Daraus folgt, daß er Anissimow den Mord anhängen wollte und keinem anderen. Warum, weiß ich vorläufig noch nicht. Butejko und Anissimow sind gemeinsam zur Schule gegangen und kennen sich seit vielen Jahren, vieles verbindet sie, und es ist leicht möglich, daß sich zu einem bestimmten Zeitpunkt die Interessen dieser drei, das Muskelpaket eingeschlossen, überschnitten haben. Aber egal wie, wenn wir Anissimow jetzt freilassen, wird er für den Mörder zu einem höchst gefährlichen Zeugen.«
    »Aber es gibt noch einen anderen Zeugen. Den Komplizen, der die Böller abgefeuert und vorher Anissimows Pistole gestohlen hat.«
    »Das ist etwas ganz anderes. Laß uns alles der Reihe nach durchgehen. Anissimow wurde ins Restaurant eingeladen, man hat ihm eine Droge in den Wodka oder den Wein geschüttet, den Schlafenden

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