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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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hatte ständig Hunger, kochte sich Makkaroni und verzehrte unglaubliche Mengen davon, zwei große Packungen pro Tag. Dann nahm er zu, litt unter Sodbrennen, Verdauungsstörungen und Haß auf sich selbst und die ganze Welt.
    Geld war für Wowa ein mystisches Phänomen. Er wußte ganz genau, daß das Vorhandensein von Geld in seiner wie auch in fremden Taschen überhaupt nichts mit so langweiligen und sinnlosen Begriffen zu tun hatte wie Bildung, Professionalität oder Arbeit. Geld kann man nicht verdienen. Man muß es »machen«.
    Die Menschheit teilte sich, bei all ihrer unendlichen Vielfalt, für Wowa in zwei einfache Kategorien: in die Leute, die das Talent haben, Geld zu machen, und in alle übrigen. Sich selbst zählte Wowa natürlich zur ersten Gruppe, weil es sonst keinen Sinn gehabt hätte, auf der Welt zu sein.
    Nach dem »Schwarzen August« kam Wowa aus der Depression gar nicht mehr heraus. Sein Job als Masseur in einem Fitness-Center war nichts weiter als ein Job und brachte folglich kein Geld. Der Lohn reichte gerade mal für Makkaroni und Mayonnaise.
    Das Fitness-Center hatte seine Stammkunden, darunter auch hohe Beamte, Geschäftsleute und andere betuchte Klienten. Aber die Kunden, die früher, ohne hinzusehen, mit generöser Geste große Scheine als Trinkgeld gegeben hatten, fingen nun an, ihr Geld penibel zu zählen. Und es wurden auch weniger Kunden. Nur eine Hoffnung blieb noch: Klim. Der geheimnisvolle, großherzige, allmächtige Klim.
    Vor acht Monaten war er ins Fitness-Center gekommen, hatte auf den Trainingsgeräten gestrampelt, in der Sauna geschwitzt und sich dann massieren lassen. Er stellte sich als gesprächiger Kunde heraus, erzählte, er sei nur auf Durchreise in Moskau, lebe in Deutschland und sei Geschäftsmann. Wowa war der Meinung, über eine recht gute Menschenkenntnis zu verfügen. Eins der wichtigsten Kriterien bei der Beurteilung eines Menschen war für ihn die Höhe des Trinkgelds und die Art, es zu geben. Der Geschäftsmann aus Deutschland mit dem schönen Namen ErnestKlimow gab sehr viel und das so lässig, als seien hundert Dollar für ihn gar kein Geld. Daraus zog Wowa den Schluß, daß sein Geschäft florieren müsse, und bemühte sich, die Bekanntschaft zu vertiefen. Er ließ durchblicken, daß er eine Menge Leute kenne, darunter auch prominente wie zum Beispiel den Journalisten Artjom Butejko, und wenn Klimow an Werbung interessiert sei, so könne das in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften preiswert organisiert werden.
    Tatsächlich hatte Wowa keine Ahnung, wie Werbung in Zeitungen gemacht wird und welche Möglichkeiten Artjom Butejko hatte. Aber war das wirklich wichtig? Die Hauptsache war doch, den Mann für seine bescheidene Person zu interessieren.
    Und dieser Mann, der deutsche Geschäftsmann Ernest Klimow, zeigte tatsächlich Interesse. Immer wenn er aus Deutschland nach Moskau kam, meldete er sich sofort bei Wowa im Fitness-Center, ließ sich von ihm massieren, gab ein großzügiges Trinkgeld, lud ihn in teure Gaststätten ein, wo sie in gemütlicher Atmosphäre zusammensaßen. Die Rechnung bezahlte selbstverständlich Klim. Ausgiebig erzählte er von seinen erfolgreichen Geschäften, davon, wie er bei Null angefangen hatte, mit ein paar Zigarettenstangen, und es bis zu einem Millionenvermögen gebracht hatte. Wowa wollte seinerseits auch gern etwas Interessantes erzählen, aber über seine eigene Person gab es nicht viel zu berichten, und so unterhielt er Klim mit Geschichten über seine Freunde, über Sanja Anissimow und über Artjom Butejko. Klim lauschte aufmerksam und unterbrach ihn nie.
    Während der Augustkrise war Klim nicht in Moskau, und Wowa hatte schreckliche Angst gehabt, daß er nie mehr wiederkommen würde. Viele ausländische Firmen schlossenihre Filialen in Rußland. Wowa wußte nicht, was für Geschäfte Klim hier eigentlich machte, glaubte aber, es seien ganz seriöse. Klim fuhr keinen Jeep und keinen Mercedes, sondern einen ganz gewöhnlichen Shiguli, noch dazu mit Moskauer Nummernschild. Er hatte Wowa gegenüber angedeutet, daß das konspirativen Zwecken diene. Und was seine Tätowierungen betraf, zwei Ringe auf dem Mittel- und dem Ringfinger der rechten Hand, so seien das Jugendsünden gewesen. Mit dreizehn will man eben möglichst cool wirken. Er habe sie schon längst entfernen lassen wollen, aber ihm habe immer die Zeit gefehlt.
    Klim tauchte Ende Oktober wieder auf und teilte Wowa seine Pläne für die nächste Zukunft mit.
    Es

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