Russische Orchidee
brauten sich gefährliche Sachen zusammen, so riskante, daß es Muchin den Atem nahm. Trotzdem verlor er nicht den Kopf, der Glanz des zukünftigen großen Geldes blendete ihn nicht. In dem Kästchen, in dem die Patronen lagen, fand er einen ganzen Haufen wertvoller Schmuckstücke, die er sofort einkassierte. Schließlich war er kein Trottel. Ärgerlich nur, daß er so wenig Geld dafür bekommen hatte, aber besser als gar nichts.
»Lieber Gott, mach, daß das alles bald ein Ende hat!« murmelte Jelisaweta Beljajewa, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte. »Warum hast du mich angerufen? Mit welchem Recht bist du überhaupt in mein Leben eingedrungen? Ich habe eine Familie, ich bin kein junges Mädchen mehr.«
Kennengelernt hatten sie sich in diesem Sommer, als Lisas Hund krank geworden war.
Die Dobermannhündin Lotta lebte schon zehn Jahre im Haus, sie hatte einen schwierigen Charakter, nur ihre Besitzer durften sie streicheln, und auch die nicht immer. Fremde bellte sie nicht an, sondern fletschte drohend die Zähne, undwenn ihr jemand allzu nahe kam, konnte sie auch zuschnappen. Bis ins hohe Alter zernagte sie Schuhe, und zwar immer die besten, und wenn man sie bestrafen wollte, verkroch sie sich knurrend unter den Tisch, trat in den Hungerstreik, fraß und trank tagelang nichts und wollte auch nicht nach draußen gehen. Selbst als Welpe war sie kein niedliches, verspieltes Hundekind gewesen, und im Alter wurde sie immer mürrischer. Früher hatte man sie im Sommer für ein paar Wochen in der Obhut des Hausmädchens Swetlana lassen und mit der ganzen Familie in die Ferien fahren können, aber in den letzten drei Jahren wollte Swetlana um keinen Preis mehr mit diesem »Untier« allein im Haus bleiben.
Dieses störrische, unfreundliche Geschöpf hatte eigentlich nur zu Lisa eine enge Beziehung. Die übrigen Familienmitglieder nahm Lotta kaum zur Kenntnis, verhielt sich ihnen gegenüber kalt und abweisend, wie ein hochmütiger Lakai in einem englischen Haus gegenüber ungebetenen Gästen. Nur Lisa legte die Hündin ihre Pfoten auf die Schultern, leckte ihr das Gesicht, nur vor ihr wälzte sie sich auf den Rücken und ließ sich am Bauch kraulen, was bei Hunden ja ein Zeichen höchsten Vertrauens und uneingeschränkter Ergebenheit ist.
In diesem Sommer nun hatte Lisa an Lottas rosigem Bauch eine große Geschwulst entdeckt. Ein Hundefachmann aus ihrem Bekanntenkreis gab ihr die Telefonnummer von Juri Sacharow, einem Tierarzt, der als bester Spezialist für Krebs bei Hunden galt. Dieser Tierarzt sagte, Lotta müsse unter Vollnarkose am Bauch operiert werden.
»Wäre es nicht einfacher, sie einzuschläfern?« fragte Lisas Mann nachts in der Küche. »Sie ist schon zehn Jahre alt, älter als zwölf werden Dobermänner selten, lohnt es sich da, sie selber und uns zu quälen?« Da begegnete er dem aufmerksamen, ruhigen Blick von Lotta und brach ab. Die Hündin schlich mit leisem, kläglichem Jaulen zu Lisa, stellte ihr dieVorderpfoten auf den Schoß, leckte ihr über die Wange, legte sich dann neben sie und starrte Michail unverwandt an.
»Verstehst du, wenn sie operiert wird wie ein Mensch, dann muß man sie auch pflegen wie einen Menschen. Wer soll das tun?« fuhr Michail fort und bemühte sich dabei, Lotta nicht in die Augen zu sehen. »Und außerdem fliegen wir in zehn Tagen nach Kreta. Es hat mich so viel Mühe gekostet, Swetlana zu überreden, bei dem Hund zu bleiben, und die Kinder freuen sich so auf diese Reise.«
»Das ist doch nicht weiter schlimm, dann fliegst du eben allein mit den Kindern.«
»Lisa, wir haben seit drei Jahren keinen gemeinsamen Urlaub mehr gemacht.« Mehr sagte Michail nicht, aber er rückte den Stuhl, als er aufstand, heftiger als gewöhnlich zurück und schloß die Küchentür so energisch hinter sich, daß Lisa zusammenzuckte.
Als der sechzehnjährige Witja die traurige Nachricht hörte, tätschelte er Lotta den Nacken und sagte: »Kopf hoch, Alte, das packen wir schon!«
Die elfjährige Nadja begann zu weinen. »Aber ihr dürft sie nicht einschläfern lassen! Vielleicht wird ja alles wieder gut?«
Man kam zu dem Schluß, es sei wirklich das vernünftigste, wenn die Mama in Moskau bei der kranken, unglücklichen Lotta bliebe und der Papa mit den Kindern nach Kreta flöge. Zehn Tage später verabschiedete sich Lisa am Flughafen von ihrer Familie und brachte Lotta in die Tierklinik.
Die Operation dauerte über drei Stunden.
»Die Geschwulst habe ich entfernt, Metastasen hat
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