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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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klein war. Wieso? Was wollen Sie?«
    »Den Stein.«
    »Was für einen Stein? Ich kann nicht atmen.«
    »Sie können. Öffnen Sie die Augen. Schauen Sie mir in die Augen. Wo ist der Stein?«
    »Ich verstehe nicht, wovon Sie reden … Was hat unsere Datscha damit zu tun? Das Grundstück gehört uns schon lange nicht mehr. Als meine Oma gestorben ist, haben es Verwandte geerbt.«
    »Lisa, ich habe hier in meiner Hand eine Spritze. Das Gegengift. Sie haben noch zwei Minuten. Wo ist der Stein? Eine Brosche in Form einer Orchideenblüte mit einem großen Brillanten in der Mitte, mit Blütenblättern aus Platin, die mit kleinen runden Topasen in Form von Tautropfen verziert sind, mit länglichen Smaragden als Blätter.«
    »Ich brauche einen Arzt. Mir ist schlecht.«
    »Haben Sie oder einer Ihrer Verwandten auf dem Grundstück irgend etwas gefunden?«
    »Ja.«
    »Was?«
    »Regenwürmer.«

Kapitel 15
    Im letzten Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts kam unter den hohen Moskauer Beamten eine alte Petersburger Mode auf. Verlor jemand beim Macao, mußte er mit Diamanten bezahlen. Die Spieltische waren mit schwarzem Samt bezogen, neben jedem Spieler stand ein kleiner Kasten aus Zedernholz. Mit einem goldenen Löffelchen holte man für jede Zehn einen Stein heraus. Dieses aristokratische Vergnügen war noch zur Zeit Katharinas der Großen erfunden worden.
    Graf Iwan Paurier war seit seiner Jugend ein leidenschaftlicher Spieler. Und wie jeder Spieler, der nicht imstande ist, rechtzeitig aufzuhören, verlor er öfter und mehr, als er gewann. Das Diamanten-Macao ruinierte nicht nur ihn, sondern zerstörte auch die Zukunft seiner Familie. Am Spieltisch vergaß er, daß seine Diamantenmine in Krestowosdwishenskoje längst erschöpft war und es dort weder Gold noch Diamanten mehr gab, daß von seinen beiden Gütern eins verpfändet und das andere von dem diebischen Verwalter heruntergewirtschaftet war.
    Im Laufe eines Monats machte Graf Iwan Paurier nicht nur riesige Schulden, sondern verspielte auch die einzigartige Familienkollektion von Diamanten. Als er entdeckte, daß nichts mehr da war, was er in das Zedernholzkistchen hätte legen können, versank er erst in schwarze Melancholie. Dann begann er zu toben, zerriß wahllos die Papiere aus seinem Sekretär, verbrannte im Kamin Kleider und Wäsche und hätte fast noch das Haus in Brand gesteckt. Am ersten Januar 1900 starb Graf Iwan Paurier in einer Heilanstalt für Geisteskranke.
    Sein Sohn Michail entdeckte, daß die Erbschaft nur aus den Schulden seines Vaters bestand, daß er niemals imstandesein würde, die Gläubiger auszuzahlen, und auch keine Schonung erwarten durfte. Als einziger vernünftiger Ausweg bot sich nur eine rasche Geldheirat an.
    Ein Grafentitel war viel wert, und Michail Paurier war ein gutaussehender Mann, aber trotzdem war die Auswahl an Bräuten nicht groß. Daß es um die Vermögenslage des aristokratischen Bräutigams äußerst schlecht bestellt war, wußte ganz Moskau.
    In den schönen Grafen war seit langem die einzige Tochter des Kaufmanns und Goldgrubenbesitzers Tichon Boljakin hoffnungslos verliebt, Irina, ein korpulentes, immer ein wenig verschlafen wirkendes dreißigjähriges Fräulein mit üppiger Büste und dunklem Schnurrbart. Die Sache war rasch entschieden, Irina Boljakina antwortete auf den schüchternen Antrag des Grafen mit leidenschaftlicher Zustimmung.
    Ihr Vater, der Kaufmann Boljakin, stand dem Werben des Grafen anfangs reserviert gegenüber. Er hatte deswegen sogar eine Auseinandersetzung mit seiner Tochter, aber die führte unwiderlegbare Argumente in Form einer kurzen Ohnmacht und der Drohung, sich zu vergiften, ins Feld. Und da Irina als ganz junges Mädchen schon einmal wegen eines liederlichen Petersburger Kornetts versucht hatte, sich mit Morphium das Leben zu nehmen, und die Ärzte sagten, ihre Psyche sei sehr instabil, willigte Tichon Boljakin schließlich ein.
    Er lud den Grafen in sein Kontor ein und führte mit ihm ein kurzes Gespräch.
    »Euer Erlaucht«, sagte der Kaufmann, »ich halte es für meine Pflicht, Sie zu warnen, daß meine Tochter nicht ganz gesund ist.«
    »Was Sie nicht sagen«, erwiderte der Graf aufrichtig überrascht, »sie sieht doch gar nicht krank aus.«
    »Ich meine nicht eine physische Krankheit, sondern eine Nervenschwäche. Sie hat gelegentlich Anfälle von Melancholie und finsterem Argwohn.«
    »Ich bin überzeugt, daß mein ehrliches Gefühl diese Krankheit besiegen wird«, sagte der Graf. »Ich

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