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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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zu begrüßen oder ihm auch nur einen Platz anzubieten. »Ich will einen Erben, und solange du dich in Moskau mit irgendwelchen Mamsells amüsierst, werde ich nie ein Enkelkind zu Gesicht bekommen.«
    »Erlauben Sie, mein Herr, was ist das für ein Ton?!« Der Graf brauste auf, besann sich dann aber, setzte sich in einen Sessel und zündete sich eine Papirossa an. »Ich bin bereit, mit Ihnen zu reden, aber nicht hier und nicht in diesem Ton«, fügte er etwas leiser hinzu.
    »Wir werden hier und jetzt reden, in welchem Ton, bestimmeich, und du wirst die Güte haben, deine Papirossa wieder auszumachen. Ich vertrage keinen Rauch.« Er schob dem Grafen ein leeres marmornes Tintenfaß anstelle eines Aschenbechers zu. Der Graf drückte die Papirossa so heftig aus, daß sie zerkrümelte.
    »So ist’s recht, Erlaucht.« Der Kaufmann nickte. »Und jetzt habe bitte die Güte, aufmerksam anzuhören, was ich dir zu sagen habe. Ich habe die Schulden deines seligen Herrn Papa beglichen und halte dich satt und warm, nicht nur, weil meine Irina einen Narren an dir gefressen hat. Ich denke an die Zukunft, an die Erhaltung meines Geschlechts. Ich will, daß meine Enkel und Urenkel Grafen und Exzellenzen sind!« Die letzten Worte stieß er sehr laut hervor, wurde dabei ganz rot und schlug mit der Faust auf den Tisch.
    »Ich bin ein russischer Adliger, mein Herr«, erwiderte der Graf mit ruhiger Würde, »ich erlaube Ihnen nicht …«
    »Bitte untertänigst um Vergebung!« unterbrach ihn der Kaufmann und verbeugte sich ironisch. »Wir sind nicht stolz. Wir können uns von Euer Erlaucht auch scheiden lassen. Kehren Sie zu Ihrer Mamsell zurück, nur wird sie aus ihrer Wohnung ausziehen müssen, weil ich nicht die Absicht habe, mit meinem Geld für Euer Hochwohlgeboren Hurerei zu zahlen. Und das Haus an der Neglinnaja werden Sie auch räumen müssen, mein Herr.«
    »Erlauben Sie, aber das ist mein Haus …«, sagte der Graf kaum hörbar.
    »Es war Ihr Haus. Jetzt ist es auf den Namen Ihrer Gattin überschrieben, was Ihnen sehr gut bekannt ist. Und wenn du denkst, du könntest von deinem Gehalt leben, dann vergiß nicht, du schuldest mir noch vierhunderttausend Rubel. Tja«, der Kaufmann breitete die Arme aus, »was soll man machen, Euer Erlaucht, ich bin Kaufmann und verpflichtet, alles im voraus zu berechnen.«
    »Wieso denn vierhunderttausend?« empörte sich der Graf. »Die Schulden meines Vaters betrugen doch nur dreihundertzwanzigtausend!«
    »Achtzigtausend hast du bereits für dich selbst verbraucht, für Reisen ins Ausland, für Schauspielerinnen, Mamsells und ähnliche Streiche.«
    »Aber erlauben Sie, ins Ausland bin ich zusammen mit Irina gefahren«, rief der Graf empört und verging fast vor Scham und Ärger, mehr über sich selbst als über den Kaufmann.
    »Die Idee kam von dir. Irina ist eine Stubenhockerin, darin schlägt sie nach mir. Es hat ihr dort auch gar nicht gefallen. In Italien war es zu heiß, in England zu kalt, in Paris zu staubig, und überall gab es Kokotten.«
    »Also wirklich …« Der Graf seufzte und begann im Geiste fieberhaft nachzurechnen, wieviel Geld er denn in diesen Jahren wohl wirklich durchgebracht hatte, aber diese Aufgabe überstieg seine Kräfte.
    »Du kannst jetzt gehen. Denk bis morgen darüber nach«, sagte Boljakin.
    Der Graf ging schweigend zur Tür und hatte sie schon geöffnet, um das prunkvolle Kaufmannskontor möglichst schnell zu verlassen, da hielt der Schwiegervater ihn auf: »Warte. Mach die Tür zu.«
    Der Graf schloß gehorsam die Tür und kehrte zum Schreibtisch zurück.
    »Wenn du hoffst, die Diamantbrosche zu verkaufen und damit deine Lage zu verbessern, so schlag dir das aus dem Kopf«, raunte Tichon Boljakin ihm ins Ohr. »Ich wünsche, daß dieses Schmuckstück an meine Enkel fällt. Du brauchst keine Angst zu haben, Irina weiß nichts, niemand weiß etwas davon, außer mir. Ein schönes Stück, sehr wertvoll, ich werde es nicht anrühren, soll es bleiben, wo es ist. Ich ratedir, es etwas besser zu verstecken, aber ich gestatte dir nicht, es zu verkaufen. Solche Dinge müssen in der Familie bleiben. So, Michail, jetzt geh und denke gut darüber nach, wer du bist: Graf Paurier, ein rechtschaffener Familienvater, oder ein Sträfling mit einer Nummer im Schuldgefängnis. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht, Euer Erlaucht.« Er zwinkerte ihm mitfühlend zu, steckte sich den Kneifer auf die fleischige Nase und vertiefte sich in die Lektüre seiner Papiere.
    In der Nacht

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