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Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Ghelfi
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Die Pistole gleitet in meine Jackentasche. Das baumelnde Gewicht an meiner Seite fühlt sich gut an.
    »Irgendwas gewesen?« Ich zeige in Richtung Galerie.
    »Ein Kurier um sieben.«
    Wir stellen uns zwischen zwei Häuser und warten. »Wie haben Sie das Bein verloren?«, fragt er eine halbe Stunde später. »Claymore?«
    Eine Mine wäre jedenfalls die schnellere Alternative gewesen. »Nein.« Mein Tonfall schließt jede weitere Frage aus.
    Eine Stunde vergeht. Mich juckt es überall.
    »Was ist mit dem Mädchen?«, fragt er.
    »Warten Sie hier, während ich die Rückseite überprüfe«, erkläre ich ihm. »Geben Sie mir Bescheid, wenn Ihnen etwas auffällt.«
    In der Seitengasse tummeln sich Ratten so groß wie Pudel um vier zerbeulte Müllcontainer, von denen zwei sicherlich nicht zur Galerie, sondern zum angrenzenden Haus gehören. Aber ich gehe lieber auf Nummer sicher und nehme mir alle vier vor. Nasse Fast-Food-Verpackungen bleiben an meiner Jacke hängen. Ein klebriger Haufen sich auflösender Taschentücher verfängt sich in meinen Haaren. Alles ist feucht. Die Ausdünstungen treiben mir das Wasser in die Augen.
    Alle unversehrten Papiere haben mit Anwälten oder Buchführungsunternehmen zu tun. Die übrigen Dokumente sind in sich kringelnde Streifen zerschreddert. Ganz unten auf dem Boden des letzten Containers finde ich eine herausgerissene halbe Seite, die aussieht wie ein Memorandum. Es ist der Frachtannahmeschein eines Werks von Pierre Mignard namens Clio . Ausgeliefert gestern aus Prag von der Firma Golden Egg Shipping im Auftrag von Henri Orlan an die Adresse von Jelena Posnowa.
    Das Knallen einer Faust gegen den Container schreckt mich auf. Ich ziehe die Glock und springe hoch, greife in einen Haarschopf und ziehe daran - aber es ist nur Segelohr, mit schmerzverzerrtem Gesicht.
    »Lassen Sie mich los«, keucht er, und ich lasse los.
    »Warum passen Sie nicht vorne auf?«
    »Ein Wagen ist gekommen«, sagt er.
    Ich lehne mich aus dem Container, greife nach seiner Jacke und zerre im selben Moment daran, als er springt. Er landet hart und wälzt sich im Müll, während ich über den Rand spähe. Das Brummen eines starken Motors ist zu hören, begleitet von knirschenden Reifen. Eine schwarze Strechlimo biegt in die schmale Gasse und kommt auf uns zu. Ich tauche in den feuchten Container unter. Segelohr hat einen kurzläufigen Revolver in der Hand, der aussieht wie eine Wasserpistole. Er ist größer als Valjas 22er, wirkt aber kleiner in seiner Hand.
    »Warten Sie vor dem Haus, wenn ich weg bin«, sage ich zu ihm.
    »Wohin …«
    »Ich folge der Limousine.«
    Der Wagen fährt an uns vorbei, kommt vor einer Tiefgarage zum Stehen und wartet darauf, dass das Gitter hochfährt. Ich lasse mich über den Rand des Müllcontainers gleiten, schleiche heran und bleibe rechts hinter der Stoßstange im toten Winkel hocken, dann, als er die Rampe hinunterrollt, folge ich ihm vornüber gebeugt. In der Garage verstecke ich mich hinter einem Stützpfeiler. Der Wagen fährt weiter, zu schnell, um ihm hinterherzulaufen. Hinter mir geht das Gitter runter. Es gibt kein Zurück.

23
    Die Limousine fährt um einen Betonpfeiler herum und bleibt mit quietschenden Reifen stehen. Der Fahrer bleibt sitzen. Zwei Männer in weißen, aus der Hose heraushängenden Hemden und Slippern reißen die Türen auf und stellen sich daneben, während die schönste Frau, die ich je gesehen habe, mit ihren langen schlanken Beinen aus dem Fahrzeug steigt. Noch eine Sekunde zuvor war ich verschwitzt, mit Ketchup verschmiert und stinksauer. Jetzt bin ich wie hypnotisiert.
    Valja ist eine einzige Versuchung, große Augen, ein herzförmiges Gesicht. Ihr knabenhafter Körper sprudelt über vor innerer Schönheit. Sie würde wahrscheinlich nie ein Magazincover schmücken, und wenn doch, dann würde ihr Bild jeden verfolgen, der es gesehen hat. Sie reizt dich und benebelt deine Sinne, bis es dir so ergeht wie Juri, dem Polizisten, und hunderten anderen in ihrer Nähe - du bist nervös, hast einen trockenen Mund, und versuchst vergeblich, den Kloß in deinem Hals runterzuschlucken, weil du sie brauchst und weißt, dass du sie niemals haben wirst.
    Diese Frau hier bringt einen vollkommen um den Verstand. Sie schält sich graziös aus der Limousine, in einem maßgeschneiderten weißen Anzug, der ihre Kurven an den richtigen Stellen umschmiegt. Rabenschwarzes Haar fällt aus einem fein geschliffenen olivfarbenen Gesicht, das mich an die Pixel-Kindfrauen in den

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