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Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Ghelfi
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verdiente.
    Ich musste zwei Stunden warten, bis die Politiker eintrafen, ihre rostroten Akten auf den Tisch klatschten, murmelnd Tratsch und Familiengeschichten austauschten und sich Pfeifen und Zigaretten anzündeten, bis der ganze Raum verqualmt war. Der stellvertretende Außenminister Peter Wjugin kam als Letzter. Als er den Raum betrat, verstummten die anderen Männer und erhoben sich. Er trug einen gut sitzenden chromfarbenen europäischen Anzug und ein weißes Hemd, das seine Bräune betonte und sich gut mit den grauen Strähnen in seinem schwarzen Haar verband. Er setzte sich ans Ende des Tisches und las in aller Ruhe meinen Bericht. Dann hob er den Kopf und sah mich an, als wäre ich ein Kellner, der ihm gerade Kaffee über den Schoß gegossen hat.
    »Das ist beschämend«, sagte er mit sanfter, voller Stimme, die nicht recht zu der eisernen Härte seiner schwarzen Augen passte.
    Das fand ich auch, aber aus anderen Gründen als er.
    Die Flügel seiner Adlernase zogen sich zusammen.
    »Wir werden von Gesindel überrannt. Es gab eine Zeit, da waren Russen Kämpfer und keine Feiglinge.«
    Im Tschetschenienkonflikt waren Soldaten und Zivilisten immer in grenzenlosem Leid miteinander verbunden. Straßenkampf und Flächenbombardierung haben aus der Stadt Grosny, die fast eine halbe Million Einwohner zählte, praktisch eine Geisterstadt gemacht. Es gab Männer, die sich von vorn herein weigerten zu kämpfen. Andere kämpften eine Zeit lang und taten dann alles in ihrer Macht stehende, um aus dieser Hölle rauszukommen. Ich würde keinen von ihnen einen Feigling nennen.
    Ich stand stramm und starrte über seinen Kopf hinweg auf die gegenüberliegende Wand.
    Er schnaubte, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah mich voller Abscheu an. »Und was haben Sie selbst dazu zu sagen?«
    »Die Tschetschenen kämpfen für ihre Heimat. Sie werden von ihren muslimischen Brüdern in anderen Ländern mit Waffen ausgerüstet, sie kennen das Gelände und ihre Spione sind überall. Unsere Männer kämpfen für etwas, das sie nicht verstehen, in einem Land, das sie hassen.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Wenn die Regierung den Kurs beibehält, werden wir sie vielleicht irgendwann unterworfen haben, aber es wird uns einen Haufen Männer und Zeit kosten.«
    Er zog die Wangen zusammen und blies Richtung Tisch, sodass mein Bericht hoch flatterte. Die Verachtung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Sie sind ein Feigling, genau wie alle anderen.«
    Ich trug eine Browning Kaliber 40 Halbautomatik mit zehn Schüssen im Magazin plus einem in der Trommel. Ein weiteres Magazin steckte neben einem Kampfmesser in meinem Gürtel. Achtzehn Mann saßen am Tisch. Ich war ziemlich zuversichtlich, dass ich die Tür mit meinem Körper hätte abschotten und sie alle umlegen können, bevor die Wachmänner im Raum waren. Der Gedanke daran begeisterte mich derart, dass ich ihn mir in allen Einzelheiten durch den Kopf gehen ließ, während das Schweigen allmählich unangenehme Ausmaße annahm. Peter hielt meinem Blick stand, er wirkte belustigt und setzte ein Lächeln auf, das mich nach einer Dusche verlangen ließ. Es war, als könne er meine Gedanken lesen, als könne er bis in den letzten Winkel meines Hirns schauen, wo Jagen ein Sport ist und Töten etwas Erotisches hat. Als verbände uns etwas Böses.
    Ich sah zuerst weg. »Jawohl«, sagte ich schließlich.
     
    Als ich nach meinem Gespräch mit Matthews bei der Medici Gallery ankomme, wartet Segelohr an der Ecke schräg gegenüber an einen Pfeiler gelehnt und raucht eine Java nach der anderen. Es ist bewölkt, nicht heiß, aber er wischt sich mit dem Handrücken über die Stirn, bevor er ein paar Schritte in meine Richtung macht.
    »Sie haben denen gesagt, dass ich weiß, wer Sie sind«, sage ich, und er erschrickt.
    »Woher …«
    »Ich sehe es Ihnen an.«
    Er guckt entschlossen. »Ich musste es ihnen sagen«, verteidigt er sich.
    Sein Bericht an Peter oder Strahow spielt keine Rolle. Meine kleinen Tricks sind vollkommen sinnlos, solange sie Valja in ihrer Gewalt haben.
    »Haben Sie sich eine Waffe besorgt?«, frage ich.
    Seine Augen weiten sich. Er senkt den Blick.
    »Ich weiß, dass der FSB Kontakte hat.«
    In seinem Gesicht spiegeln sich alle möglichen Emotionen, bis er sich schließlich zu einer Entscheidung durchringt. Er zieht eine Glock aus der Tasche und überreicht sie mir. Ich hole das Magazin raus und stecke es wieder zurück, nachdem ich einen Blick in die Trommel geworfen habe.

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