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Russisches Requiem

Russisches Requiem

Titel: Russisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Ryan
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Platzwart ahmte die Leiche im Schnee mit verstörten Augen und weit aufgerissenem Mund nach. Der Unterschied zu seiner Darstellung der Erfrorenen war nicht besonders groß.
    »Und auf seiner Brust...« Er stockte kurz. »Möge ihm Gott seine Sünden vergeben, da war ...«
    Koroljow schnitt ihm das Wort ab. »Ja, ja, ja. Das wissen wir alles schon, danke. Aber sagen Sie, Sergei Timofejewitsch, lag Schnee auf der Leiche?«
    »Ein bisschen. Wie Sie sehen, sind gestern Nacht ungefähr zehn Zentimeter gefallen, aber ich meine, auf ihm war nur eine dünne Schicht. Habe ich schon erwähnt, wie die Kleider an ihm dranhingen? Sind anscheinend fast genauso schlimm zerhackt worden wie er selbst.«
    »Danke, das ist ein nützlicher Hinweis. Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen? Irgendwas?«
    »Nur die Fußspuren. Sie sind inzwischen undeutlich vom Schnee. Aber es waren auf jeden Fall zwei Männer. Sehen Sie? Hintereinander.«
    Koroljow kauerte sich neben die Abdrücke, auf die Akunin deutete. »Aber auf dem Weg hinaus sind sie nebeneinander marschiert.«
    »Schauen Sie mal her, Wanja.« Koroljow zeigte nach unten. »Die Schritte von dem einen sind weiter auseinander. Er ist also größer, und zwar ein gutes Stück, wie es scheint.« Starostin blickte auf die Uhr, und Koroljow folgte dem sachten Hinweis. »Danke, dass du dir Zeit genommen hast, Nikolai. Wir folgen den Spuren hinaus. Du musst nicht auf uns warten. Aber es wäre vielleicht nützlich, wenn Sergei Timofejewitsch uns noch kurz begleiten könnte.«
    Starostin verabschiedete sich und überließ die Ermittler mit dem früheren Schiedsrichter als bereitwilligem Helfer ihrer Arbeit.
    Bedauernd fixierte Koroljow die Stelle, wo der Tote gelegen hatte. »Wenn ich ihn nur selbst gesehen hätte. Möglicherweise wäre mir was aufgefallen, man weiß ja nie.« Er wandte sich den anderen zu. »Kommen Sie, vielleicht finden wir noch was.« Sie schritten neben den Fußspuren bis zum Nordosteingang. Das Tor stand offen. Jemand hatte es mit einer Brechstange bearbeitet und das Schloss zertrümmert.
    »Noch mehr Arbeit«, knurrte der Platzwart.
    »Wartet mal.« Semjonow deutete in den Schnee. »Niemand ist hier rübergekommen, stimmt das, Sergei Timofejewitsch?«
    »Nein, Ihrem Kollegen, dem kleinen Dicken, war es zu kalt. Hat gemeint, es hat keinen Sinn, wegen einem toten Banditen im Schnee rumzuklettern.«
    »Schauen Sie, Alexei Dimitrijewitsch.« Semjonow wies auf eine halbverdeckte leere Zigarettenschachtel. »Muss das dann nicht von einem der Mörder stammen, da Schnee darunter ist?«
    »Sehr gut, mein Junge. Schauen wir uns das Ganze doch mal an.«
    Semjonow bückte sich und zog die Packung vorsichtig heraus. Auf der Innenseite seines Lederhandschuhs bildete sich ein kleiner feuchter Fleck. »Herzegowina Flor. Teuer. Gibt es nur in Läden und Restaurants mit beschränktem Zugang. Ich kenne jemanden, der die Marke raucht.« Den letzten Satz brachte der Junge mit leichtem Zögern vor.
    »Eine Freundin?«
    »Wird auch von Männern geraucht«, antwortete Semjonow widerstrebend. »Verstehe. Haben Sie etwas zum Verstauen?«
    Semjonow wühlte in seinen Taschen, ohne etwas Geeignetes zu finden. Schließlich riss er ein Blatt aus seinem Notizbuch und wickelte die feuchte Schachtel darin ein. Im Schnee vor dem Eingangstor waren tatsächlich Reifenspuren, aber auf dem Asphalt war praktisch nur zu erkennen, dass ein Wagen gekommen und nach einem Wendemanöver wieder weggefahren war. Für alle Fälle folgten sie den Abdrücken bis zur Hauptstraße.
    »Verdammt.« Wütend trat Semjonow in den Schnee.
    Koroljow überlegte. »Nun, für einen Abguss reicht es sicher nicht, aber die Spuren sprechen eher für ein Automobil als für einen Lastwagen. Und wie viele Menschen in Moskau haben Zugang zu einem Automobil? Nur wenige. Wir fragen in der Milizstation des Viertels, vielleicht hat ein Streifenwagen gestern Nacht in der Nähe ein Fahrzeug bemerkt. Haben Sie hier einen Nachtwächter, Sergei Timofejewitsch?«
    »Natürlich, aber wenn es schneit, bleibt er normalerweise im Verwaltungsgebäude.«
    »Danke. Er soll den Leutnant anrufen, wenn er kommt. Iwan Iwanowitsch gibt Ihnen seine Telefonnummer.«
    Auf der Fahrt zurück in die Petrowka-Straße grübelte Koroljow schweigend über den Besuch im Stadion nach. Er war nicht völlig umsonst gewesen. Immerhin wussten sie jetzt, dass zwei Männer beteiligt waren, der eine groß, der andere kleiner, dass sie Zugang zu einem Wagen hatten und dass einer von

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