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Russisches Requiem

Russisches Requiem

Titel: Russisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Ryan
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abzuschließen. Er konnte es nur hoffen.
    Wie auf Kommando öffnete sich hinten die Tür, und Gregorin betrat den Korridor, flankiert von zwei baumlangen Kerlen, die aussahen, als könnten sie mit bloßen Händen einen Panzer aufhalten. Da hatte wohl jemand im Kraftraum Gewichte gestemmt. Koroljow stand auf und gab ihnen den Schlüssel. Einer sperrte die Tür auf, und Gregorin schaute sich mit ausdrucksloser Miene in der Leichenhalle um.
    Koroljow reichte ihm einen kleinen weißen Umschlag, in den er Mironows Papiere gelegt hatte. »Sein Ausweis. Leider sind meine Fingerabdrücke drauf.«
    »Und er war in seiner Socke?« Dieses Detail schien Gregorin zu ärgern.
    »Ja.«
    »Ich verstehe. Und inzwischen war niemand drin?«
    »Nein.«
    »Dr. Tschestnowa?«
    »Oben im Büro.«
    »Gut. Was ist mit Ihrem Kopf passiert?«
    Ohne genau darüber nachzudenken, beschloss Koroljow, das Treffen mit Kolja zu verschweigen, zumindest fürs Erste. Mit dem toten Tschekisten hatte sich die Lage verändert, und er musste erst einmal überlegen, woran er jetzt war.
    »Ein Unfall, sieht schlimmer aus, als es ist.« Er zuckte die Achseln.
    Der Stabsoberst nickte. Einen Moment lang bröckelte Gregorins abgeklärter Ausdruck, und Koroljow glaubte etwas wie Müdigkeit in seinen Augen zu erahnen. Keine körperliche Erschöpfung, sondern Überdruss.
    »Vielen Dank, Hauptmann Koroljow. Sie können jetzt gehen. Den Rest übernehmen wir. Ich melde mich später. Kein Wort darüber in Ihrem Bericht natürlich. Niemand darf davon erfahren, nicht einmal Popow, verstanden?«
    Koroljow verabschiedete sich und ignorierte die Art und Weise, wie Gregorins Kollegen ihn musterten. Von dem Oberst kannte er das jetzt schon, aber bei Fremden vermittelte ihm das ein ungutes Gefühl. Sie starrten ihn an wie Fleischer ein Stück Schlachtvieh.
    Der Regen hatte aufgehört, aber am Himmel hingen immer noch dunkle Wolken. Larinin wartete bei Semjonow und Babel. Sie blickten auf, als er sich ihnen näherte.
    Der ehemalige Verkehrspolizist trat auf ihn zu. »Hören Sie, Alexei Dimitrijewitsch, könnte ich vielleicht Ihren Wagen haben? Ich muss in zwanzig Minuten an einer Parteiversammlung teilnehmen, und der ZIS springt nicht an. Morosows Mechaniker wird spätestens in zehn Minuten hier sein und ihn reparieren, dann können Sie damit fahren.« Er verstummte, da er aus Koroljows grimmiger Miene wohl geschlossen hatte, dass er auf Granit beißen würde.
    Aber Koroljow kam es ganz gelegen, wenn Larinin verschwand. »Natürlich, Genosse. Nur zu. Wir sehen uns später.«
    Larinin wirkte überrascht, setzte sich aber ohne Zögern ans Steuer des Ford.
    Auch Semjonow war nicht traurig über den Fahrzeugwechsel und strich bereits um den ZIS herum, um ihn mit ungenierter Begeisterung zu inspizieren. »Ein großartiges Automobil von internationalem Rang. Ein Weltklassemodell sowjetischer Bauart, der ZIS.« Die Tatsache, dass der Wagen gerade funktionsuntüchtig war, schien sich auf seine positive Meinung nicht weiter auszuwirken.
    Inzwischen drückte Larinin mit etwas säuerlicher Miene gegen die zerbrochene Windschutzscheibe. Als er merkte, dass es sich nicht ändern ließ, zog er die Mütze tiefer über die Ohren und schob den Mantelkragen hoch, bis nur noch ein schmaler Schlitz für die Augen übrig war.
    Koroljow beneidete ihn nicht um die Fahrt, als Regentropfen begannen, auf die Motorhaube zu klatschen. »Wanja, könnten Sie uns vielleicht aus der Kantine etwas zu essen holen?«
    Semjonows Blick wanderte von Koroljow zu Babel, ehe er schließlich halb zustimmend, halb verständnisvoll nickte. Sie blickten ihm nach, wie er an den Lastwagen vorbei zum Kantineneingang stapfte.
    »Isaak, woher kennen Sie eigentlich Oberst Gregorin?« Koroljow musste zugeben, dass das keine besonders kluge Frage war. Wenn Babel ein Spitzel Gregorins war, was dann? Falls ja, war der Mann sein Gewicht in Gold wert. Noch nie war er jemandem mit einer derart offenen Art begegnet. Babels unverhohlene Neugier richtete sich auf alles und jeden, aber er blieb dabei immer so charmant, dass man es ihm einfach nicht übelnehmen konnte. Niemand konnte so sein und gleichzeitig das Vertrauen anderer ausnutzen. Nein, Babel war vielleicht ein Exzentriker, aber bestimmt keine Ratte.
    »Ich wurde ihm bei einer alten Bekannten vorgestellt, Jewgenija Feinberg«, erwiderte Babel nach kurzer Überlegung. »Sie gibt Gesellschaften, die ich aus Neugier und alter Anhänglichkeit besuche.«
    »Was ist das für eine

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