Russisches Requiem
Name wurde nie wieder erwähnt. Seine früheren Kollegen würden um seine schöne Wohnung streiten und seine Habe plündern, und sein Verschwinden würde nicht einmal ein Achselzucken auslösen.
Inzwischen waren sie hinter dem Wagen auf der Außenspur, während sich dieser innen hielt. In dem Automobil saß nur ein Mann - der Junge war es nicht, und der Schriftsteller konnte es auch nicht sein, da es sich um ein Milizfahrzeug handelte. Das Gesicht des Fahrers neben ihm glänzte weiß im Licht des frühen Abends. Die Augen waren wie schwarze Kugeln, er konnte die körperliche Erregung des Mannes spüren. Anscheinend Jemand, dem seine Arbeit Spaß machte. Auf der anderen Straßenseite donnerte ein Konvoi riesiger Metrolaster auf sie zu, und er hatte genug Erfahrung, um sich für das Kommende zu wappnen.
Die Laster näherten sich, und der Fahrer schob sich neben den Wagen. Sie waren so nah, dass er durch das Dröhnen des Lastwagenmotors das Rattern des Ford hörte. Im nächsten Moment steuerte der Fahrer den Lastwagen direkt in die Seite des Milizautomobils. Dieses wurde auf zwei Räder hochgerissen, und einen Moment lang starrte er in die schockierten Augen des Wagenlenkers, keinen Meter unter ihm. Es folgte ein Krachen und das Kreischen von berstendem Metall. Hatte er sich den Schrei des Milizionärs in dem Lärm nur eingebildet? Vielleicht. Es dauerte nur Bruchteile von Sekunden. Der Ford prallte frontal gegen den vordersten Laster des Konvois, kollabierte wie eine Konzertina und wurde von dem unaufhaltsam weiterrollenden Laster zermalmt, als wäre er aus Papier.
Im Rückspiegel hielt er nach dem Milizionär Ausschau, doch er sah nur ein Gewirr aus verbogenem Metall, gesplittertem Glas und zerfetztem Stoff. Allein das Gesicht blieb ihm in Erinnerung. Es war nicht das Gesicht auf der Fotografie.
19
Der General stand pfeiferauchend an seinem üblichen Platz und blickte nachdenklich hinunter auf die Petrowka-Straße. Das Licht der Laterne verwandelte die windgepeitschten Regentropfen in weiße Streifen, die gegen die Fensterscheibe spritzten. Koroljow war froh, dass er hier im Warmen saß und nicht draußen frierend in durchweichten Kleidern und mit klatschnassem Gesicht in einer Schlange um Brot anstehen musste.
»Schreckliche Geschichte. Die Hälfte dieser Burschen vom Land haben auf ihrer Kolchose noch nie einen Traktor gesehen, geschweige denn einen Lastwagen. Dann kriegen sie eine Arbeit auf einer Baustelle in Moskau und müssen plötzlich so ein Ding fahren. Da brauchen Sie nur die Leute von der Verkehrsabteilung zu fragen - die können Geschichten erzählen, dass einem die Tränen kommen. Wenn sie so jemandem in dieser Stadt einen Posten als Lastwagenfahrer geben, sollten sie einem am besten gleich die Holzjacke anmessen. Oder noch besser einem Fußgänger.«
Koroljow rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her. »Der Fahrer, der ihn erwischt hat, war ziemlich geschickt, meinen die Milizionäre. Sie glauben, dass ihn ein Lastwagen auf Larinins Seite in den entgegenkommenden Verkehr geschoben hat und einfach weitergefahren ist, ohne sich um die Trümmer zu kümmern. Mehr als Trümmer waren nämlich nicht mehr übrig.«
»Warum sollte er auch anhalten? Er hat gesehen, was hinter ihm auf der Straße passiert ist. Und das hätte zehn Jahre wegen Sabotage nach Artikel achtundfünfzig bedeutet. Hat sich jemand ein Nummernschild gemerkt? Nein. Also ist es ein Unfall. Dabei bleibt es. Wahrscheinlich hat der Kerl oben in seinem Fahrerhaus Larinin gar nicht bemerkt. Und wer weiß, vielleicht hat auch Larinin einen Fehler gemacht. Die Leute von der Verkehrspolizei werden die Sache untersuchen, keine Sorge. Sie werden schon genug herumstochern, da müssen wir uns nicht einmischen. Und sollte bei dem Gestochere doch was rauskommen, sieht die Sache wieder anders aus.«
Koroljow öffnete den Mund zu einer Erwiderung, schwieg aber, als Popow den Kopf schüttelte und zur Decke deutete. Der General griff nach dem Tagesbericht, der nur aus zwei Seiten bestand. Koroljow fand das Beharren des Generals auf der Unfalltheorie ein wenig übertrieben, aber wenn er glaubte, dass das Büro abgehört wurde, dann war es natürlich verständlich. Mit einem knappen Nicken signalisierte er Popow, dass er begriffen hatte.
Dass der Bericht so kurz ausgefallen war, hatte seinen Grund: Koroljow hatte nichts über den toten Tschekisten geschrieben, weil man es ihm verboten hatte. Und das Treffen mit Kolja? Das hatte er zwar erwähnt, es
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