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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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polnischen Kameraden das Tor.
    Unbemerkt von den Verteidigern, sprangen der riesige Stepan und etwa zwanzig Dorfbewohner aus ihren Verstecken und liefen hinter den Reitern her auf die Festung zu. Erst als sie das offene Tor erreicht hatten, erkannte die polnische Garnison zu spät, daß man sie überlistet hatte.
    Andrej lachte, als er einen überraschten Polen niederstach. Die prächtigen Pferde, die er und Stepan bekommen hatten, die polnischen Uniformen, die Schwerter und sonstiges Zubehör, das zu ihrer Beute gehörte, waren ihnen in diesem Täuschungsmanöver sehr zupaß gekommen.
    In diesem Überraschungsangriff hatte die polnische Garnison ein Viertel ihrer Leute verloren, ehe sie begriff, was da vor sich ging. Doch sie verteidigten sich wacker.
    Als der Kampf vorüber war, sah Andrej, daß die beiden letzten Polen von vier seiner Männer umringt waren. »Tötet sie nicht«, rief er, »mal sehen, ob sie Informationen haben!« Dann bemerkte er, daß seine übrigen Leute und die Dorfbewohner, die Stepan versammelt hatte, dabei waren, die Juden zu töten. Andrej waren die Juden auch nicht lieber als die Polen, aber diese hier waren unbewaffnet. Nun schleppte man die Frauen und Kinder aus den Häusern. »Schluß damit!« befahl er. Der Kosak zögerte, aber er hatte nicht mit den Dorfbewohnern gerechnet. »Die jüdischen Kinder hinunter zum Fluß«, schrie einer. Sie sollten ertränkt werden. Andrej erkannte zu seinem Entsetzen, daß er keine Möglichkeit hatte, diesen Mord zu verhindern. Er wandte sich ab.
    »Herr Andrej.« Das Flüstern kam aus einem Fenster des Hauses. Andrej erkannte Yankel. In der Aufregung hatte er den Burschen völlig vergessen. »Herr Andrej! Rettet uns, edler Herr. Ihr seht, was hier geschieht. Habt wenigstens Erbarmen mit meinen Kindern!«
    »Öffnet die Tür.«
    In dem großen Raum war es nicht sehr hell, und es roch unverwechselbar nach Wodka. Andrej sah außer dem stämmigen alten Juden ein Mädchen von etwa fünfzehn und einen Jungen von acht oder neun Jahren. Andrej hatte das Mädchen nicht mehr gesehen, seit er damals in die Schule nach Kiev kam. Sie war zu einer auffallenden dunkelhaarigen Schönheit geworden, mit mandelförmigen Augen und einer türkischen gebogenen Nase. Auch der Junge war ein hübscher Kerl.
    »Also gut«, sagte Andrej. »Ich versuche euch zu retten!« Er wandte sich an Stepan, der ihm gefolgt war. »Willst du mir helfen, diese Juden zu beschützen?« begann er. Da bemerkte er, daß sein Gefährte ihm überhaupt nicht zuhörte. Der starrte das Mädchen mit offenem Mund an wie eine Erscheinung.
    Es war Yankels Schuld, daß er wenige Sekunden später sein Leben verlor. Erleichtert über den Schutz durch Andrej ging er, ohne zu überlegen, als erster aus dem Haus. Zwei Dorfbewohner standen in der Nähe, der eine mit einer Axt, der andere mit einer Sichel. Und bevor der arme Kerl etwas über seinen Beschützer hätte erzählen können, fielen sie über ihn her. Als Andrej das Haus verließ, war Yankel schon tot. Nun mußten die beiden gefangenen Polen befragt werden, ob sie etwas Wissenswertes zu sagen hätten. Den Dorfbewohnern gab Andrej den Auftrag, ein Grab für die Polen und ein zweites für die Juden auszuheben. Er selbst wollte jetzt zu seinem Vater reiten.
    Yankels Sohn nahm er mit.
    Die Sonne war eben untergegangen, als sie den Hof erreichten. Andrej fand den alten Ostap in bester Laune. Aufgrund der Ereignisse der vergangenen Monate hatte Mordechai den Hof nicht aufsuchen und Ostap den Frondienst abverlangen können. »Ich weiß alles!« rief er Andrej entgegen. »Ein Junge aus dem Dorf ist vorbeigekommen.« Er war hocherfreut über die Pferde, doch als Andrej seine Bitte vortrug, runzelte er die Stirn. »Du willst, daß ich einen jüdischen Jungen unterbringe?«
    Andrej erklärte, was geschehen war. »Ich kann ihn nicht mit ins Lager nehmen. Die Dorfbewohner bringen ihn um.«
    »Er muß konvertieren«, entschied der alte Ostap, »dann kann er auf dem Hof helfen.«
    Andrej ging zu dem Jungen. »Hier ist der einzige Ort, wo du sicher bist. Die Leute lassen meinen Vater in Frieden. Aber du mußt Christ werden.«
    »Niemals«, erwiderte der Junge trotzig.
    Andrej sah ihm in die Augen. »Ich versprach deinem Vater, dich zu retten, und ich muß mein Versprechen halten. Dabei mußt du mir helfen. Solange du hier bleibst, bist du orthodox.« Der Junge sah ihn immer noch trotzig an, doch er hatte verstanden. So erklärte Andrej ihn für konvertiert.
    Die

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