Russka
zufrieden, doch Stepan schüttelte nur traurig den Kopf.
»Nein. Vorteile gibt's nur für die reichen Kosaken, nicht für die Armen und die Bauern.«
Das entsprach den Tatsachen. Für Männer wie Bohdan, für Andrej und seinen Vater waren die Bedingungen fabelhaft, aber für die armen Bauern, die revoltiert hatten, weil Bohdan ihnen die Freiheit versprochen hatte, blieb nichts.
Als Bohdan und sein Rat darauf angesprochen wurden, hieß die lapidare Äußerung: »Der Kosak soll ein Kosak bleiben und der Bauer ein Bauer.« Dies rief großen Unmut hervor.
»Dafür habe ich nicht gekämpft«, meinte Stepan grimmig. »Vollkommene Freiheit gibt es nicht; das ist eine Illusion«, gab Andrej zu bedenken.
Der andere schüttelte den Kopf. »Es ist keine Illusion, aber du hast Angst davor«, antwortete er nachdenklich. »Ich weiß, daß es nicht möglich ist. Wer würde uns vor Angriffen schützen? Freiheit bedeutete für uns: wehrlos sein. Wir brauchen eine Autorität, eine große Macht.«
»Ich sehe, daß Verrat nur Böses nach sich zieht«, erwiderte Stepan. Es zeigte sich innerhalb weniger Tage, daß er recht hatte. Die Bauern, zornig, weil sie sich verraten fühlten, machten wieder einen Aufstand; und nun war es der Kosakenrat – nicht die Polen –, der ein unverzügliches Niederschlagen anordnete. Die Befehle waren schon ergangen. Andrej wußte: Dies war das Ende der Freundschaft mit Stepan.
Auch Stepan war dabei, sich auf den Weg zu machen. Wenn er ihn auch nur schroff begrüßte, spürte Andrej doch, daß Stepan auf ihn gewartet hatte. Sein Pferd war gesattelt, seine geringe Habe auf ein Lasttier gepackt.
»Du hast den Befehl also gehört?«
»Ja.«
»Du gehst?«
»Natürlich. Ich möchte damit nichts zu tun haben.« Andrej seufzte. »Du gehst an den Don zurück?«
»Vielleicht.«
Andrej sah sich erstaunt um. »Wo sind deine polnischen Pferde, all deine Beute?«
»Ich habe sie an Bauern verschenkt. Sie brauchten das Geld nötiger als ich.«
»Aber was ist mit deinem Hof am Don?«
»Vielleicht gehe ich gar nicht zurück.«
»Die Menschen sind frei dort, auch wenn es nicht die Ukraine ist. Dorthin gehörst du.«
Eine Zeitlang schwieg Stepan. Es war, als gebe es da noch etwas, worüber er lange nachgegrübelt hatte. Langsam schüttelte er den Kopf. »Menschen sind niemals frei«, murmelte er schließlich.
»Nicht, wenn sie von ihren eigenen Wünschen regiert werden…
Vielleicht werde ich Priester.«
»Ein Priester?«
»Oder Mönch. Aber noch nicht jetzt. Ich bin unwürdig.«
»Werde ich dich irgendwann wiedersehen?« fragte Andrej.
»Kann sein. Kann auch nicht sein.« Stepan sah zu seinem Pferd hin.
»Ich muß fort.«
Andrej umarmte ihn. »Leb wohl, mein Bär! Gott sei mit dir.« Er würde ihn wohl nie wiedersehen.
1653
An einem klirrend kalten Frühlingsmorgen ritt Andrej mit anderen Abgesandten nach Norden. Sie wollten in Bohdans Auftrag den Zaren aufsuchen. Die gegenwärtige Mission war die wichtigste in Andrejs bisheriger Karriere. Die Botschaften des Hetman, die die Gruppe bei sich hatte, sollten die Ukraine retten. Alles deutete auf eine Krise hin. Polen war nun nicht einmal mit einem Teilstaat der Kosaken einverstanden. Weder die katholische noch die unierte Kirche wollten den Erfolg der Orthodoxen im Kiever Land dulden. Die Großgrundbesitzer wollten ihre Ländereien zurück; der Kleinadel, die polnische Aristokratie und jeder steuerzahlende Pole waren empört über das starke Anwachsen des Kosakenregisters und über die große Zahl von Kosaken, die annehmen mochten, der Staatenbund habe ihnen Gehälter zu bezahlen. Bald gab es wieder Kämpfe. Die Polen integrierten eine hohe Zahl von deutschen Söldnern in ihre Streitkräfte. Bohdans Macht wurde geschwächt. Juden wanderten zurück ins ukrainische Land. Außerdem hatten zweimal große Gruppen von Kosaken die Grenze nach Rußland überschritten, und man hatte ihnen Asyl gewährt. Was also sollte der Hetman der Kosaken tun? Er ist doch ein schlauer Fuchs, sagte sich Andrej oft und dachte daran, daß Bohdan gleichzeitig mit dem Sultan, den Tataren, dem Zaren und den Polen verhandeln konnte. Mit jedem Jahr wurde es allerdings deutlicher, daß die einzige Hoffnung der Kosaken im Norden und Süden, in Rußland, lag. Nur der Zar würde den orthodoxen Glauben anerkennen; nur er konnte die Ukraine gegen das mächtige Polen schützen.
Doch Rußland zeigte sich nicht gewillt. Es hatte eigene Schwierigkeiten. Keinesfalls wollte es einen
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