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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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auch Schlimmes erlebt: Drei Kinder und seine erste Frau waren gestorben. Doch seine zweite Ehe war glücklich, und von den drei Kindern aus dieser Verbindung war sein Sohn Pavlo seine größte Freude – ein hübscher, prächtiger Junge, ein echter Kosak! Und Andrejs Besitzungen waren beträchtlich.
    Seit Bohdans Tagen und der Union mit dem Moskauer Staat hatte die Ukraine durch den Krieg, den Polen und Rußland ihretwegen führte, schlimme Zeiten mitgemacht, und militante Kosakentrupps hatten sich gegenseitig bekämpft in einer Zeit, die als der Zusammenbruch bezeichnet wurde.
    Doch das war nun vorüber. Rußland und Polen hatten einen dauerhaften Friedensvertrag unterzeichnet. Polen erhielt das Land westlich des Dnjepr außer Kiev, und Rußland behielt das Land östlich davon, das sogenannte linke Ufer. Die orthodoxen Kirchenväter in Kiev unterstellten sich schließlich dem Patriarchen von Moskau anstelle des Patriarchen von Konstantinopel. Rußland fand den passenden Hetman, der über das linke Ufer herrschte. Er war ein Edelmann mit bester Erziehung und Bildung. Ivan Mazepa – so hieß er – wurde fast ebenso bekannt wie Bohdan in der Ukraine. Seine Ziele sind einfach zu beschreiben: Er wollte das Land für Rußland kontrollieren; den Kosakenadel stärken; die armen Kosaken und Bauern lassen, wie sie waren; und natürlich selbst reich werden dabei. Diese Politik machte Mazepa dem einfachen Volk verhaßt, aber sie funktionierte. Es gelang diesem Mann, innerhalb von dreißig Jahren annähernd zwanzigtausend Besitzungen anzusammeln. Er verteilte Grundbesitz an seine treuen Offiziere, zu denen Andrej und sein Sohn gehörten. Mazepa war es auch gelungen, eine enge und äußerst nützliche Freundschaft zum neuen Zaren aufzubauen. Pavlo stand in Mazepas Gunst. Er hatte seine erste Schlacht mit ihm geschlagen, als die Kosaken bei der Einnahme Azovs zu Hilfe kamen. Pavlo war erst siebzehn Jahre alt gewesen, hatte jedoch die Aufmerksamkeit des Zaren Peter erregt. Er war ein dunkelhaariger, gutaussehender junger Mann von fünfundzwanzig, etwas kleiner als Andrej, doch von kräftiger Statur. Im Monat zuvor hatte er sich bei einem Sturz den Arm gebrochen und verbrachte die Zeit der Heilung zu Hause bei seinen Eltern. Es waren aufregende Zeiten. Rußland befand sich in einem großen Krieg gegen Schweden. Karl XII. Schwedens junger, kühner König, war so überzeugt, die schlecht ausgebildeten Russen zu schlagen, daß er gleichzeitig Polen angriff. Für einen guten Kosaken bedeutete das nur eins: die Möglichkeit zu kämpfen und sich dabei zu bereichern.
    Konnte es für Pavlo eine bessere Gelegenheit als diese geben, dem Zaren Peter in Moskau seine Dienste anzubieten? Alles verlief nach Wunsch. Mazepa hatte Pavlo persönlich einen Brief an Peter mitgegeben; Andrej hatte festgestellt, daß sein alter Freund Nikita Bobrov einen Sohn hatte, der dem Zaren nahestand. Pavlo ritt demnach mit großen Hoffnungen nach Norden, nach Rußland.
    Vom Zaren wußte er nicht sehr viel. Die armen Kosaken haßten ihn. Sie erkannten zwar seine Eroberungen im Süden an, außerdem die Tatsache, daß er endlich die Zahlungen an den Krim-Khan unterbunden hatte. Sie verabscheuten jedoch die neue religiöse Art – viele waren bereits raskolniki geworden – ebenso wie den neuen Nordischen Krieg. Ihre wilde und undisziplinierte Kriegführung konnte gegen die gut ausgebildete Infanterie des schwedischen Königs nichts ausrichten. Die Verluste waren bereits groß. Doch dies alles kümmerte Andrej im Augenblick wenig. Ein KosakenLandbesitzer war aus einem anderen Holz geschnitzt als diese armen kämpfenden Bauern.
    Er verließ Kiev im Frühjahr. Es wurde schon wärmer. Andrej erinnerte sich, daß er die gleiche Reise vor einem halben Jahrhundert schon einmal gemacht hatte – doch diesmal war sein Sohn dabei.
    Obwohl er sich gesund fühlte, sagte ihm eine innere Stimme, daß er nach dieser keine lange Reise mehr machen würde. Immerhin war er vierundsiebzig Jahre alt. Und so sah er Moskau mit leiser Wehmut entgegen.
    Im Jahre 1703 bezogen die Bobrovs ein neues Haus in Moskau. Es war ein gediegenes, behäbiges Gebäude, zweistöckig, aus Stein erbaut. Das Mobiliar war einfach: ein solider Tisch, einige hölzerne Stühle. Im Hauptraum nahm neben der Ikone in der Ecke ein großer viereckiger, mit Delfter Kacheln verkleideter Ofen den Ehrenplatz ein.
    »Welch eine Freude!« rief Nikita Bobrov aus. »Nach so vielen Jahren sehen wir uns wieder! Hier hat sich

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