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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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wolle.«
    »Eine Stadt – in diesem Sumpf land! Und wie soll sie heißen?« fragte Nikita.
    Prokopios schmunzelte. »Sankt Petersburg, glaube ich.« In diesem Augenblick brachte ein Bote eine Nachricht, die Nikita jeden Gedanken an Peters bescheidenen Sieg unverzüglich vergessen ließ. Es war der Verwalter aus Russka, und es hatte den Anschein, als sei der ganze Ort verrückt geworden. Daniel hatte gewußt, daß es dazu kommen würde. Drei Jahre zuvor, als der alte Priester Silas starb, hatte er es bereits geahnt. Das war in jenem Sommer gewesen, als er aus Moskau zurückgekehrt war.
    Es war erstaunlich, daß die kleine Gemeinde so lange durchhalten konnte, doch das war nur mit Hilfe von Freunden möglich gewesen.
    Daniel hatte es zwar immer vermutet, doch erst in den letzten Monaten vor seinem Tod bestätigte der alte Silas, daß der Abt ein Sympathisant sei.
    »Er weiß, was wir machen, aber er sagt nichts dazu. Deshalb lassen uns alle in Frieden«, erklärte Silas.
    Die andere Gefahr hätte vom Verwalter der Bobrovs drohen können, doch dieser war selbst Anhänger der raskolniki und nahm an den heimlichen Messen teil. Die Dritte im Bunde und ebenso wichtig war Eudokia Bobrov.
    Ihre Stellung in der Gemeinde mußte geheim bleiben. Nur Silas, Daniel und seine Familie wußten davon. Die Dorfbewohner hatten keine Ahnung. Hätte Nikita auch nur das geringste gewußt, er wäre sofort eingeschritten. Immer wenn eine Ikone, ein Gebettuch, Kerzen gebraucht wurden, kamen Silas oder Daniel irgendwie zu Geld und brachten das Gewünschte bei. Das Kloster war passiv, fügte sich jedoch.
    Unter Peter war den Bobrovs zu trauen. Also dachten die Behörden zwanzig Jahre lang, daß in Russka alles einen ruhigen Verlauf nehme. Was Sumpfloch anlangte – wer hatte je von diesem Ort gehört?
    Im Frühling des Jahres 1703 sagte Silas zu Daniel, daß er sterben werde.
    »Wenn ich nicht mehr bin, mußt du meinen Platz einnehmen.«
    »Auch ich bin alt«, widersprach Daniel. »Du bist der einzige, der sie führen kann«, entgegnete Silas. »Wie aber soll ich zum Priester geweiht werden?« fragte Daniel. Dies war das Hauptproblem der raskolniki. Sie bildeten die wahre Kirche und standen doch außerhalb der Kirche. Sie hatten keinen Bischof in ihren Reihen, und so konnte praktisch niemand sie zu Priestern weihen. Wenn die letzten der noch vor der Abspaltung geweihten Priester wie Silas verstorben wären – wie sollten sie ersetzt werden?
    Einige raskolniki waren entschlossen, einen unzufriedenen Priester aus der neuen Kirche zu übernehmen, falls er sich einer rituellen Läuterung unterzog. Andere griffen auf eine alte, von der Kirche nicht gern gesehene Methode zurück und wählten ihren eigenen Pfarrgeistlichen. In früherer Zeit wurde ein solcher Mann dem Bischof zur Priesterweihe überstellt. Nun, da es keinen Bischof gab, war er einfach der von seiner Gemeinde anerkannte Kirchenälteste. Nach Silas' Tod wurde offiziell beschlossen, daß die Gemeinde von Sumpfloch nach Russka zur Messe gehen solle, obwohl ein Geistlicher aus dem Kloster ab und zu in dem kleinen Dorf eine Messe in der althergebrachten Form las. Die Bewohner fanden sich nur vereinzelt zum Gottesdienst in Russka ein. Nach jeder dieser offiziellen Messen wurde die kleine Kirche sorgfältig gereinigt, und die raskolniki aus Sumpfloch hielten unter der Anleitung Daniels weiterhin ihre geheimen Gottesdienste ab. Gegen Jahresende starb der Verwalter. Was würde geschehen, wenn Bobrov einen neuen Mann schickte, der nicht ihrer Überzeugung war?
    Daniel schrieb unverzüglich einen Brief. Nikita war zwar höchst überrascht, als Eudokia ihm erklärte: »Laß mich einen neuen Verwalter für Sumpfloch aussuchen; ich kenne mich dort viel besser aus als du.« Er willigte jedoch ein, und an Weihnachten konnte Daniel den neuen Verwalter in ihrer kleinen Kirche willkommen heißen. Doch die größte Bedrohung ihrer Sicherheit war damit noch nicht gebannt.
    Es wird mitunter behauptet, Peter sei in religiöser Hinsicht liberal gewesen, und bis zu einem gewissen Grade trifft das auch zu. Im Jahre 1702 hatte er nicht nur den Protestanten ihre Gottesdienste offiziell gestattet, sondern er hatte laut Gesetz das Prinzip der religiösen Toleranz proklamiert. Im selben Jahr hatte er den raskolniki, die im Norden ein größeres Gebiet bevölkerten, völlige Religionsfreiheit zugesagt, falls sie ihm eine bestimmte Menge Eisen für seine militärischen Vorhaben lieferten. Doch auch wenn er ihnen

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