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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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im Stall haben, jede Dame wünschte sich einen englischen Hund, und der eleganteste Platz, an dem Leute wie Bobrov sich sehen ließen, war der englische Club. Außerdem machten die englischen Freimaurer keine Schwierigkeiten. Sie waren unpolitisch, nicht allzu mystisch, hingen der Philanthropie an, wurden von Ausländern und Russen gleichermaßen unterstützt. Als deshalb Bobrovs englische Freunde ihn im Jahre 1782 aufforderten, den Freimaurern beizutreten, zeigte er sich nicht abgeneigt. Doch dabei wäre es wohl auch geblieben, wäre er nicht ein Jahr darauf zufällig einem Bekannten aus der Studienzeit in Moskau begegnet.
    »Du mußt unbedingt Leute aus dem Freimaurerkreis kennenlernen«, drängte dieser, »sie gehören zur besten Gesellschaft.« Bei seinem nächsten Besuch in der alten Hauptstadt traf Alexander Bobrov also mit zwei höchst wichtigen Persönlichkeiten zusammen: mit dem Fürsten und dem Professor. Ersterer war ein reicher Aristokrat und Förderer der Künste, der andere ein Mann mittleren Alters namens Novikov, Chef der Moskauer Universitätspresse. Diesen nannte Alexander gern »den Professor«.
    Mit ihm hatte er in jener verschneiten Dezembernacht die heimliche Begegnung in dem rosa Haus jenseits des Fontakakanals. Der Professor wurde sein Mentor und führte ihn in die völlig neue und geheime Welt der höheren Freimaurer ein; und dieser Professor war für Alexander so etwas wie die Stimme seines Gewissens. Alexanders neue Freunde in Moskau waren aufgeklärt und gebildet – der Kern des Universitätszirkels. Der Fürst und seine Freunde waren die Creme der Adelskreise Moskaus – das schmeichelte Alexanders Eitelkeit.
    In drei Jahren hatte Alexander nach zahlreichen Besuchen bei seinem Professor in Moskau und durch Korrespondenz den ersten der höheren Grade der Freimaurer unter Anleitung seines Mentors durchschritten: vom Rang des Schottischen Maurers zum Theoreticus.
    Es war eine große Lauterkeit in dem stillen Gelehrten, die Alexander tief beeindruckte. »Ich führe Sie einen reinen und christlichen Pfad«, versprach der Professor. »Unser einziges Motiv ist der brennende Wunsch, Gott und unserem gesegneten Rußland zu dienen.« Alexander stellte fest, daß die Freimaurer-Bruderschaft in vieler Hinsicht einer Geheimkirche glich; denn seit Peter der Große Rußland säkularisiert hatte, hatte die orthodoxe Kirche viel von ihrem ehemaligen Prestige eingebüßt. Peter hatte den Patriarchen abgesetzt. Katharina hatte der Kirche ihren Landbesitz genommen und unter staatliche Aufsicht gestellt. Wenn auch die Bauern noch der Kirche folgten und oft raskolniki waren, wobei die aufgeklärte Katharina diese alten Schismatiker leicht belustigt tolerierte, verhielt es sich für Männer von Bobrovs Klasse anders. Nur wenige seiner Freunde nahmen die Kirche ernst. Andererseits fühlten sie, daß ihrem Leben etwas fehlte.
    Alexander mußte zugeben, daß er sich von der christlichen Frömmigkeit des Professors angezogen fühlte. Vielleicht, gestand er sich ein, spiele ich auch in dieser Beziehung – falls es mir nicht gelingt, die Welt zu gewinnen, kann ich mit Hilfe des Professors immer noch meine Seele retten.
    Während seiner Studien wurde Alexander allerdings bewußt, daß eine innere aufbauende Kraft in der Bruderschaft am Werke war, die ihm bisher vorenthalten worden war. Doch eines Tages im Herbst 1786 sagte der Professor zu ihm: »Ich glaube, die Zeit ist für Sie gekommen, den nächsten Schritt zu wagen.« Dann gab er ihm ein Büchlein und fuhr fort: »Lesen Sie es sorgfältig durch. Wenn Sie einer von uns werden wollen, bewerben Sie sich bei mir.« So entdeckte Bobrov schließlich den inneren Zirkel. »Wir bezeichnen uns als die Rosenkreutzer, die Nachfolger von Christian Rosenkreutz«, erklärte der Professor.
    Die Rosenkreutzer: die heimlich Erwählten. Von ihnen gab es nur etwa sechzig in ganz Rußland. Die gewöhnlichen Freimaurer wußten kaum, daß sie existierten. »Sie wissen von uns, kennen aber nicht unsere wahre Identität«, führte der Professor aus, »damit wir unsere Mission vor Unberufenen schützen können.« In der Tat war es die Besonderheit der Rosenkreutzer, daß sie untereinander Decknamen führten, während jeder Freimaurer nur einen Geheimnamen hatte. Als der Professor Alexander zur ersten Versammlung der Rosenkreutzer ins rosa Haus bestellte, hatte er seine Botschaft nicht mit seinem Namen der Tempelritter – eq.ab.ancora – unterzeichnet, sondern mit seinem geheimen

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