Russka
zwischen den beiden Männern war von da an noch kühler als zuvor. Alexander vermutete also den Einfluß von Tatjanas Vater, als sie eines Tages bemerkte: »Glaubst du nicht, Alexander, daß du mir eine Abrechnung vorlegen solltest, damit ich sehe, wie du meine Mitgift ausgegeben hast?«
Das war eine Unverschämtheit! Sie war eine Frau und obendrein kaum siebzehn Jahre alt. Wütend platzte er heraus: »Ihr verdammten Ausländer! Ihr zählt jede Kopeke!« Er sah, daß sie nicht klein beigab, obwohl sie ergeben den Kopf neigte. Es gab noch etwas, das er ihr nicht sagen konnte. Die Kosten der Freimaurerpresse waren beträchtlich, und der Professor war mitunter ein wenig ungenau in seinen Abrechnungen. Bereits als er heiratete, wurde Alexander gebeten, außer den Beiträgen für die Bruderschaft auch die Presse zu unterstützen. Wie konnte er sich weigern, wenn Männer wie der Fürst großzügig spendeten? Einige Männer, die den höheren Graden der Freimaurer angehörten, gaben fast ihr gesamtes Vermögen für diese Sache. So war es ihm eine gewisse Erleichterung, als er bald nach der Hochzeit eine Spende ankündigen konnte.
Tatjana wäre erstaunt gewesen, wenn sie gewußt hätte, daß Alexander, als sie bereits schwanger war, nach Moskau fuhr, um den Professor zu besuchen. Er hatte eine weitere Spende bei sich, die nahezu ein Fünftel ihrer Mitgift ausmachte.
1789
Es war ein trüber Märztag. Ein von den sibirischen Gewässern kommender rauher Wind blies eisig über die weiten St. Petersburger Plätze hin. Alexander und seine Frau saßen im großen Salon. Er war erst im Morgengrauen nach Hause gekommen, aber darüber sprachen sie nicht. Finster blickte er Tatjana an, die im achten Monat schwanger war mit dem zweiten Kind. Traute sie ihm nicht? Wie konnte sie es wagen, seine Bitte abzuschlagen?
Tatjana stand langsam auf und stützte sich auf eine Stuhllehne, liebte er sie überhaupt noch? Es war ja nicht nur diese Französin; sein häufiges unerklärtes Verschwinden nach Moskau und diese mysteriösen Abende in St. Petersburg. Was sollte sie nur davon halten?
Sie haßte Adelaide de Ronville nicht. Ab und zu begegnete sie ihrer Rivalin bei der Gräfin Turova. Die Französin war immer höflich und spielte niemals auf ihre Beziehung zu Alexander an. Bald ist sie eine alte Frau, sagte Tatjana sich anfangs. Ich bin jung und werde Kinder mit ihm haben, das muß hart für sie sein. Sie liebte Alexander trotz allem und verstand ihren Mann besser, als er dachte. Sie fühlte, daß er trotz seiner vielen Fähigkeiten nie zufrieden mit sich war, nie sicher. Er liebt die andere, aber mich braucht er, tröstete sie sich. Doch obwohl sie ihn liebte – seine Bitte konnte sie nicht erfüllen. Alexander hatte schon wieder Sorgen. Wo war das Geld nur hingekommen? Es sei ihr gewohnt aufwendiger Lebensstil, sagte er. Aber er sagte nicht, daß die Rosenkreutzer ihn Unmengen von Geld kosteten.
Die Freimaurer waren in letzter Zeit auf Kritik gestoßen: Ihre Gegner beschwerten sich, ihre Arbeit sei ein Sakrileg. Die Freunde des Professors in Kirchenkreisen erstellten daraufhin eine nahezu vollkommene Rechtfertigung. Das änderte aber nichts daran, daß die Schulden weiter wuchsen. Der Professor ließ sich nicht darin beirren, auf seinen privaten Pressen zu drucken. Alexander, der tatsächlich eine Art von Zuneigung und Bewunderung für den Professor empfand, half nach Kräften, doch das Ganze wurde immer aufwendiger. Schließlich verging kaum ein Monat ohne einen Hilferuf seitens der Brüder. Falls Alexander Schuldgefühle verspürte, weil er das Geld seiner Frau ausgab, wurden sie entkräftet durch den Gedanken, daß die Rosenkreutzer vielleicht einmal über alles herrschen würden.
Als er nun an diesem Morgen seine Frau bat, von ihrem Vater neue Geldmittel zu verlangen, war es wie ein Schlag für ihn, als sie sich weigerte. Wie konnte sie nur! Er betrachtete es als ihre Pflicht. Sie jedoch schwieg hartnäckig. Nun schrie er sie an: »Tatjana, ich befehle es dir!«
»Es tut mir leid, Alexander, aber ich sehe keinen Grund, warum mein Vater oder ich dir noch mehr von meinem Vermögen anvertrauen sollten, nachdem du mir nicht einmal die Abrechnungen über meine Mitgift vorgelegt hast. Du weißt, daß sie mir gehört. Und wenn du nicht weißt, wo das ganze Geld geblieben ist, wäre es vielleicht besser, wenn ich unsere geschäftlichen Angelegenheiten in die Hand nähme.«
Er starrte sie an. Er spürte, wie er blaß wurde vor Zorn.
Weitere Kostenlose Bücher