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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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hatte er es verstanden, sie wieder und wieder auf den Höhepunkt zu bringen. Sie liebte einfach alles an ihm: wie er aussah, wie er sich kleidete, seine Kenntnis von Dingen, die ihr verschlossen waren. Aber auch er war, dessen war sie sicher, höchst angetan von ihrer Liebesbeziehung. Sie wollte dazulernen, immer neue Wege finden, ihm Genuß zu verschaffen. Sie war glücklich, und deshalb brachte sie es fertig, ihn immer von neuem in Erstaunen zu versetzen.
    Demnach mußte es eine herbe Überraschung für sie sein, als er ein halbes Jahr nach ihrer Hochzeit eines Nachts nicht nach Hause kam. Sie vermutete zu Recht, daß er immer noch in Adelaide de Ronville verliebt sei.
    Am Anfang hatten ihm die Liebesspiele mit Tatjana viel Freude gemacht. Dieser ein bißchen füllige, junge Körper erregte ihn. So hat die Natur es vorgesehen, dachte er. Doch bald mißfiel ihm, daß sie Leidenschaft auf eine entweder unterwürfige oder übermäßig fordernde Art herbeiführen wollte, und das war weit entfernt von der verführerischen Vielseitigkeit der Madame de Ronville. Aber dieser Mangel an Erotik war es nicht einmal, was Alexander zu seiner Geliebten zurücktrieb. Er vermißte vor allem die geistreichen Gespräche. Er machte Tatjana keinen Vorwurf, sie konnte ja nichts dafür, daß sie noch so jung und deshalb auch noch nicht sonderlich gebildet war. Sie konnte einen Witz auf französisch nicht lustig finden, wie Madame de Ronville es tat. Sie konnte nichts dafür, daß sie, etwa in Gräfin Turovas Salon, brav in der Ecke sitzen mußte. Es war auch nicht ihre Schuld, daß schon nach wenigen Monaten Themen wie Küchenpersonal und Bäckereien Alexander langweilten.
    Schließlich ergab es sich, daß er, ohne daß sie beide darüber gesprochen hätten, allein zu den Abenden bei der Gräfin ging. Kurz und gut, sie konnte nichts dafür, aber Alexander hatte seine Frau ziemlich satt und fand, daß das Eheleben die feine Balance, das Gefühl der inneren Stille, Zeichen des eingefleischten Junggesellen, zerstörte.
    Dabei hatte er ein durchaus schlechtes Gewissen; er hatte seine junge Frau so weit gebracht, ihn zu lieben und zu begehren; trotzdem konnte er Adelaide nicht aufgeben. Nur bei der älteren Französin fand er Erfüllung. Ihr in vieler Hinsicht noch jugendlicher Körper erfüllte ihn jetzt mit besonderer Zärtlichkeit. Seltsamerweise liebte er nach seiner Hochzeit mit der jungen Frau die ältere mehr als früher.
    Eine Woche nachdem er nachts nicht nach Hause gekommen war, war sein turnusmäßiger Besuch bei der Gräfin Turova fällig. Tatjana sagte nichts, doch kurz nachdem er das Haus verlassen hatte, folgte sie ihm in einer Mietkutsche. Sie sah ihn ins Haus der Gräfin gehen und wartete draußen. Um etwa elf Uhr nachts verabschiedeten sich die Gäste, und die Lichter in den Wohnräumen gingen aus. Tatjana wartete noch eine Weile. Nun waren alle Lichter im Haupthaus verlöscht. Im Ostflügel jedoch, wo Madame de Ronvilles Wohnung sich befand, sah sie das schwache Flackern von Kerzen. Dann wurden auch diese gelöscht. Tatjana wartete eine Weile, dann fuhr sie nach Hause.
    Sie dachte, daß sie sich mit Alexanders Verhältnis wohl abzufinden habe, doch es schmerzte sie tief. Klugerweise verlor sie kein Wort darüber. So vergingen die Wochen. Sie versuchte die Französin aus ihren Gedanken zu verbannen – vergebens. Alexander seinerseits versuchte mit Tatjana besonders liebevoll umzugehen. Im Herbst 1787 stellte Tatjana fest, daß sie schwanger war. Darüber freute sie sich sehr. Andererseits spürte sie, daß etwas in Alexanders Leben vorging, etwas Geheimnisvolles, wovon sie nichts wußte. Und das erfüllte sie mit Angst.
    Mehrmals während der vergangenen Monate war er abends unter dem Vorwand dringender Geschäfte ausgegangen. Einmal war es spätnachts gewesen. Und er konnte nicht zu Adelaide gegangen sein – Tatjana wußte mit Bestimmtheit, daß die Französin sich nicht in der Stadt aufhielt.
    Im September fuhr Alexander für zwei Wochen nach Moskau, und zwar mit einer ziemlich vagen Erklärung. Und Adelaide blieb in St. Petersburg. Gab es vielleicht eine andere Frau?
    Die Geschichte der Freimaurer in Rußland ist in Dunkel gehüllt. Die Aufzeichnungen darüber wurden fast alle versteckt oder vernichtet. Nur wenig ist bekannt.
    In St. Petersburg gab es viele Freimaurer. Vor allem die englischen Logen waren vertreten. Schließlich war alles Englische gerade Mode: Jeder wohlhabende Mann wollte einen englischen Vollblüter

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