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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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herrscht seine Familie in anderen Städten? Sie sind hier, weil wir ihre Vorfahren eingeladen haben herzukommen.« Er stieß den Stab auf den Boden. »Die Waräger kamen von Norden zu uns Slawen, weil wir sie hergeholt haben! Und warum haben wir das getan?« Er blickte finster nach allen Seiten. »Damit sie für uns kämpfen. Damit sie unsere Städte verteidigen. Deshalb sind sie hier!«
    Daran war etwas Wahres. Selbst jetzt war die Beziehung zwischen Fürsten und Städten undurchsichtig; der Fürst schützte die Stadt, sie war jedoch nicht sein Eigentum, ebensowenig wie das Land, das zum großen Teil noch den freien Bauern oder den Gemeinden gehörte. In der großen nördlichen Stadt Novgorod hatte das vetsche, das war bekannt, Fürsten abgelehnt, und sie hatten ihrem gewählten Protektor oder seiner druzina niemals gestattet, in ihren Domänen Land zu besitzen.
    »Aber sie haben uns nicht verteidigt!« brüllte der Kaufmann. »Sie haben versagt! Die Kumanen verwüsten unser Land, aber der Fürst und seine Generäle tun nichts dagegen!«
    »Was sollen wir machen?« schrien mehrere. »Einen neuen Fürsten suchen«, rief ein anderer. Der große Kaufmann auf der Plattform klopfte wieder mit dem Stab. »Die Schwierigkeiten haben mit einem Verrat angefangen«, brüllte er. »Mit einem Verrat, als Jaroslavs Söhne ihr Wort brachen und den Fürsten von Polock ins Gefängnis warfen.« Er deutete auf die Zitadelle. »Ein Unschuldiger sitzt dort oben.«
    »Polock!« tobte die Menge. »Gebt uns den Fürsten von Polock!« Gleich darauf wogte die Masse in die Zitadelle hinein; Ivanuschka wurde mitgerissen. Vor der SophienKathedrale teilte sich der Menschenstrom. Die eine Hälfte bewegte sich nach links auf ein massives Backsteingebäude zu, in dem der Fürst festgehalten wurde. Die übrigen strömten über die schmale Brücke auf den Palast zu. Ivanuschka wollte seine Familie warnen. Er versuchte vor die Menge zu gelangen, doch es war zu spät. Vor dem Fürstenpalast erkannte er seine mißliche Lage. Zur Linken befand sich eine hohe Mauer; rechts führte eine breite Treppe zu einem großen verschlossenen Eichentor.
    Die Menge schrie laute Beleidigungen. »Verräter! Feiglinge! Wir werfen euch den Kumanen zum Fraße vor!« Da sah Ivanuschka hoch oben an einem kleinen Fenster des Palastes ein großes rotes Gesicht auf die Menschen niederstarren – er erkannte es sogleich als das des Fürsten Izjaslav von Kiev. Nun wurde er auch von der Menge entdeckt. Alles drängte mit lautem Wutgeheul vorwärts. Da verschwand das Gesicht. Es kam Ivanuschka plötzlich zu Bewußtsein, daß er selbst auch in Gefahr war: Schließlich war er der Sohn eines Bojaren. Wenn man ihn erkannte? Es gab nur noch einen Zugang zum Palast: durch den dahinterliegenden Hof. Dazu mußte er um das Gebäude herumgehen und durch eine Seitenstraße zum Tor kommen. Doch die dichte Menge brachte ihn fast zu Fall, als er sich hindurchzudrängen versuchte. Er war noch längst nicht am Ausgang des Platzes, als sich in der Masse ein Raunen erhob: »Sie sind fort! Sie sind weg!« Er sah, wie ein Mann auf den Rücken eines anderen stieg, eines der Fenster erreichte und hineinkletterte. Drei Minuten später öffnete sich eine der Palasttüren, und die Menge, die nicht auf Widerstand traf, drängte hinein. Der Fürst und die druzina hatten den Palast verlassen. Sie mußten durch denselben Hof entkommen sein, durch den Ivanuschka hineingelangen wollte. Also hatte wohl auch seine Familie das Gebäude verlassen. Und ihn hatte man zurückgelassen! Immer mehr Leute drangen in das leere Gebäude ein. Aus einem Fenster flog ein Pokal in die Menge; gleich darauf folgte ein Zobelmantel – der Palast wurde geplündert.
    Ivanuschka wandte sich um. Da fand er sich in einer fast leeren Straße.
    »Ivan! Ivan Igorevitsch!« Es war ein Diener seines Vaters, der hinter ihm herlief. »Dein Vater hat mich geschickt, dich zu suchen. Komm!«
    »Können wir zu ihm?« rief Ivanuschka hoffnungsvoll. »Unmöglich. Sie sind fort, alle. Die Straßen sind abgeriegelt.« Wie zur Bestätigung lief eine Gruppe von Männern die Straße entlang mit dem Ruf: »Der Fürst von Polock ist frei! Da kommt er!« Tatsächlich sah Ivanuschka ein Dutzend Reiter in leichtem Galopp herannahen. Mitten unter ihnen auf einem Rappen, unverkennbar, die furchtbare Gestalt – der Werwolf.
    Er war sehr groß, war in einen weiten braunen Umhang gehüllt und hatte breite Backenknochen. Vor allem seine Augen zogen Ivanuschkas

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