Russka
barsch.
Popov blickte ihn gleichmütig an. »Das glaube ich nicht«, erwiderte er. »Betrachten Sie doch einmal Ihre Position, Michail Alexejevitsch. Ihr Sohn hat die Bauern aufgehetzt zu revoltieren, nicht ich. In den Augen der Behörden ist Nikolaj der Verbrecher. Ihre Position ist somit sehr schwach. Wenn Sie mich zu etwas zwingen wollen, kann ich dafür sorgen, daß die Lage für Sie und Ihren Sohn höchst unangenehm wird. Wenn ich also noch eine Weile hierbleiben möchte, ist es wohl klüger, Sie machen mir keine Schwierigkeiten.«
Mischa war sprachlos vor Empörung. Er blickte vom einen zum anderen. »Und diesen Mann nennst du deinen Freund?« fragte er Nikolaj. Zu Popov sagte er: »Glauben Sie tatsächlich, damit kommen Sie durch?«
»Ja.«
Mischa schwieg. Wahrscheinlich konnte dieser junge Unruhestifter Nikolaj tatsächlich gefährlich werden. Hätte ich nur mehr Information, etwas, das ich diesem Popov anhängen könnte, dachte er. Vielleicht würde sich etwas ergeben. In der Zwischenzeit wollte er vorsichtig sein, beschloß er bei sich. »Nun gut, Sie können eine Zeitlang hierbleiben, aber unter folgenden Bedingungen: Sie haben sich von allen politischen Aktivitäten fernzuhalten, und Sie werden den Leuten sagen, daß Nikolaj krank sei. Wenn Sie jedoch Schwierigkeiten machen oder Nikolaj in Ihre Machenschaften hineinziehen, werden Sie sehen, daß ich mehr Einfluß bei den hiesigen Behörden habe, als Sie denken. Verstanden?«
»Das kommt mir sehr entgegen«, meinte Popov gleichmütig und verließ das Zimmer.
Eine halbe Stunde später kam Nikolaj in Popovs Zimmer, wo er den Freund ruhig, aber nachdenklich vorfand. »Das war ein großartiger Trick von dir, meinem Vater zu sagen, du würdest mich bloßstellen«, sagte Nikolaj. Er hatte seinen klugen Freund nie so bewundert wie jetzt.
»Ja, es hat funktioniert.«
»Aber was sollen wir jetzt machen?« drängte Nikolaj. »Soll ich ins nächste Dorf gehen und versuchen, die Bauern dort anzufeuern?« Wider Erwarten schüttelte Popov den Kopf. »Im Augenblick möchte ich, daß du im Haus bleibst und dich genauso verhältst, wie es dein Vater will. Ich habe nämlich in Russka etwas zu erledigen, mein Freund, und deine Anwesenheit hier gibt mir die nötige Rückendeckung. Also sei ein guter Junge und unterstütze mich.«
»Wenn du meinst«, gab Nikolaj zögernd nach. »Was hast du vor?« Popov schwieg einen Augenblick. Dann sagte er: »Er hat natürlich recht, dein Vater.«
»Wirklich? In welcher Hinsicht?«
»Was die Bauern angeht. Sie stehen nicht hinter uns.«
»Vielleicht mit der Zeit.«
Nach einer Weile murmelte Popov: »Mein Gott, wie ich sie hasse.« Er ließ einen ratlosen Nikolaj zurück.
Zwei Wochen waren seit dem vergeblichen Versuch vergangen, die Revolution in Gang zu bringen. In Bobrovo war wieder alles ruhig. Niemand bekam Nikolaj Bobrov zu Gesicht. Es war bekannt, daß er sich im Herrenhaus befand. Die Bediensteten erzählten, er gehe manchmal im Wald oberhalb des Hauses spazieren; in der übrigen Zeit ruhte er wahrscheinlich, oder er las.
Jevgenij Popov sah man in diesen Tagen häufig mit einem Notizbuch und einem Zeichenblock umherwandern. Irgendwo im Hause Bobrov hatte er einen alten, breitkrempigen Hut gefunden, der Ilja gehört hatte und Jevgenij das Aussehen eines Künstlers verlieh. Die Leute in Bobrovo sahen ihn häufig über die kleine Brücke gehen, um den Ort vom Pfad aus zu zeichnen. Oft nahm er auch den Weg durch den Wald nach Russka, wo er das Kloster oder die Stadt zeichnete.
Wenn auch alle anderen sich täuschen ließen, Arina wußte Bescheid. Sie war überzeugt, daß Nikolaj nicht krank war. Und was Popov anbetraf: Was hatte dieser schlimme Mensch nur vor? Vielleicht hatte sie durch die Probleme der eigenen Familie seherische Fähigkeiten entwickelt.
Die Dinge standen schlecht für die Romanovs. Nachdem Boris und seine Frau den Haushalt verlassen hatten, machte sich die Belastung bei Timofej bald bemerkbar. Das Geld, das Natalia aus der Fabrik heimbrachte, war zwar eine kleine Hilfe, aber Arina stellte eine Veränderung bei dem Mädchen fest. Sie überlegte, ob Natalia wirklich zuverlässig sei. Varjas Schwangerschaft war Arina nach wie vor ein Dorn im Auge, und es stand für sie fest, daß man sich des Kindes nach der Geburt entledigen mußte. Natalia hatte Grund, stolz zu sein: Ihr Werben um Grigorij war endlich erfolgreich gewesen. Bis zum Schluß hatte er sich gesträubt. Seine Zurückhaltung, sein Zögern
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