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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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nur den Kopf. Dann setzte er dem anderen auseinander, daß er diesem Juden einen persönlichen Dienst schulde. Er winkte Rosa und ihren Eltern zu, damit sie in den Wagen stiegen.
    »Sie wollen ein Kosak sein? Judenfreund! Wir kommen und brennen Ihren Hof auch nieder«, schrie der alte Mann. Doch niemand hinderte die Abramovitschs am Einsteigen.
    »Ich fürchte, man wird Ihr Haus niederbrennen«, sagte Karpenko zu Rosas Vater. »Aber ich habe Ihnen die Prügel erspart.« Dann ruckte er an den Zügeln, und der Wagen fuhr langsam die Straße hinunter.
    Während sie das Dorf verließen, starrte Rosa zurück. Die Männer warfen soeben die Fenster ihres Hauses ein. Sie sah den alten Mann mit einer Fackel hineingehen. Sie verbrennen mein Klavier, dachte sie; das Klavier, für das der Vater ein ganzes Jahr gespart hatte. Sie blickte ihren Vater an. Er saß zitternd im Wagen, in seinen Augen standen Tränen, und die Mutter hatte ihre Arme um ihn gelegt. Rosa hatte ihren Vater nie vorher weinen sehen.
    Ivan hatte sie gerettet. Das würde sie ihr ganzes Leben nicht vergessen. Sie würde sich aber auch an seinen Vater, den Freund der Familie, erinnern.
    1891
    Nikolaj Bobrov sagte sich, daß er sich nicht allzu viele Sorgen machen müsse. Die Nachricht seines Vaters war natürlich beunruhigend. Er fühlte sich auch plötzlich schuldig. Aber sicher würde es nicht so schlimm sein, wenn er nur erst dort wäre. Es war ein langer Weg, wenn man allein reiste. Während der geschlossene Schlitten ihn durch die breiten Straßen St. Petersburgs trug, blickte Nikolaj hinaus. Er liebte diese mächtige Stadt. Selbst an einem grauen Tag wie dem heutigen lag ein heller Schimmer darüber.
    Wie die Herren in der westlichen Welt trug Nikolaj einen hinten geschlitzten Gehrock. Seine ziemlich engen Hosen waren aus dickem Tuch, seine Schuhe poliert, so daß sie blitzten und glänzten.
    Über seiner Weste hing an einer Goldkette eine Taschenuhr. Sein weißes Hemd hatte einen steifen abnehmbaren Kragen; darum war eine schmale getupfte Seidenkrawatte in einer lockeren Schleife gebunden, die ihm etwas Künstlerisches verlieh. Die beiden einzigen Kleidungsstücke russischen Ursprungs waren der Überzieher mit Pelzkragen und die Pelzmütze, die neben ihm auf dem Sitz lag. Nikolaj Bobrov war siebenunddreißig Jahre alt. Sein Haar und der gepflegte Spitzbart waren vorzeitig ergraut, doch sein Gesicht war fast faltenlos und hatte oft noch den gleichen offenen Ausdruck wie in seiner Studentenzeit, als er versuchte, die Bauern seines Vaters zu einer neuen Welt zu überreden.
    Nikolaj war inzwischen Familienvater geworden. Er hatte eine Tochter, einen älteren Sohn, nach dem Großvater Michail genannt, und im letzten Jahr war noch ein Junge, Alexander, dazugekommen. Nach seiner derzeitigen politischen Einstellung befragt, hätte er, ziemlich allgemein, geantwortet: »Ich bin liberal.« Es überraschte nicht, daß die revolutionäre Begeisterung der Studentenzeit nicht angehalten hatte. Nikolaj konnte die Demütigung des Jahres 1874 niemals vergessen. »Die Bauern waren ja noch nicht einmal interessiert«, mußte er bald zugeben. Er hatte sich auch von Popov hintergangen gefühlt. »Er war nichts als ein Opportunist, der einen Narren aus mir gemacht hat«, äußerte er seinen Eltern gegenüber. Als die Terroristen einige Jahre später den Zaren ermordeten, schüttelte Nikolaj nur betrübt den Kopf. »Selbst ein Zar ist besser als Chaos«, war seine jetzige Ansicht. Und er fügte hinzu: »Rußland wird eines Tages eine freie Demokratie sein; doch dafür sind wir wirklich noch nicht bereit. Es dauert noch eine Generation, vielleicht zwei.« Bis dahin war es in Rußland, Gott sei Dank, ruhig. Gleich nach dem Attentat auf seinen reformierenden Vater tat der neue Zar Alexander III. entscheidende Schritte. Der harte Kern der mörderischen Partei des Volkswillens wurde entdeckt und zerschlagen. Der gute alte Reaktionär, Dmitrij Graf Tolstoj, wurde wieder als Innenminister eingesetzt und verfügte bald über eine Sonderpolizeieinheit von nicht weniger als hunderttausend Gendarmen. Der größte Teil des Reiches stand durch die sogenannten Übergangsverordnungen des Zaren unter Kriegsrecht. Sie waren damals seit zehn Jahren in Kraft. Es gab außerdem Zensur und Inlandspässe; auf den Universitäten waren jegliche studentischen Körperschaften verboten; auf dem Land gab es einen neuen Beamtentyp, den sogenannten Landhauptmann, der Regierungsrechtsprechung ohne Beihilfe

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