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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Viele kleine Handwerker und smerdy wurden so zwangsläufig zu zakupy. Und viele Bojaren umgingen die Gesetze, die zakupy schützen sollten, und verkauften sie – gesetzeswidrig – als Sklaven.
    Der Fürst drückte beide Augen zu. Wegen all dieser Mißstände war das Volk aufgebracht.
    Am schlimmsten jedoch waren die Kartelle, von den Kaufleuten in der Absicht organisiert, das Monopol auf Rohstoffe zu erhalten, so die Preise in die Höhe treiben zu können. Das wichtigste war das Salzkartell. Der Großfürst von Kiev hatte Erfolg gehabt mit seinem Projekt, die polnischen Salzlieferungen zu kontrollieren. Die Preise schnellten in die Höhe.
    Am 16. April, nach dem Tod des Fürsten, trat ein nie dagewesenes Ereignis ein: Das vetsche kam ohne Ankündigung zusammen. Das Treffen verlief stürmisch. »Sie machen Sklaven aus freien Männern!« protestierten die Leute. »Sie verschwören sich zum eigenen Vorteil und zum Verderben des Volkes!«
    »Kehren wir doch wieder zu den Gesetzen Jaroslavs zurück«, verlangten viele.
    Das »Prawda russkaja«, das russische Recht, verfaßt von Jaroslav dem Weisen und seinen Söhnen, sollte zwar hauptsächlich die Diener und Bojaren des Fürsten vor Abgaben zu ihren Ungunsten schützen, doch es enthielt auch eine Klausel, die den zakup davor bewahrte, zum Sklaven zu werden.
    »Wir wollen einen gerechten Fürsten«, schrien sie, »der das Recht achtet.«
    Es gab nur einen einzigen solchen Mann unter den Rus: Vladimir Monomach… Im Jahr 1113 trug das vetsche von Kiev ihm den Thron von Kiev an.
    Ivanuschka hatte sich gerade in Perejaslavl befunden, als ihn die Nachricht vom Tode des Fürsten von Kiev erreichte. Ohne seine Söhne von ihren Ländereien abzuberufen, ritt er auf schnellstem Weg in die Hauptstadt.
    Auch er war seit langem verärgert gewesen über die Regierungsweise des Fürsten. In Russka und auf seinen Besitzungen im Nordosten verlief unter Beachtung der Gesetze alles reibungslos, doch er wußte, daß dies eine Ausnahme war. »Nur Monomach kann die Lage retten«, hatte er oft gesagt. Bei seiner Ankunft in Kiev stellte er zufrieden fest, daß das vetsche sich ganz in seinem Sinn entschieden hatte. Er sandte in aller Eile einen Diener zu Monomach mit der Nachricht: »Ivan Igorevitsch erwartet dich in Kiev. Komm und nimm, was das vetsche dir rechtens anträgt.« Ivanuschkas Euphorie wurde gedämpft, als er beim Besuch im Haus seiner Eltern den Bruder in gedrückter Stimmung vorfand. »Ich kann nicht arbeiten. Ich fühle mich alt und müde«, klagte Svjatopolk, der ganz allein lebte. Seit dem Kampf gegen die Kumanen hatte sich zwischen den beiden eine positive Beziehung entwickelt. Nicht, daß sie Freunde waren, doch es gab nun Vertrauen zwischen ihnen, und Svjatopolk konnte sich jetzt aussprechen. Ivanuschka wollte den Bruder mit Neuigkeiten aufheitern. Svjatopolk aber war skeptisch: »Ich sage dir, Monomach kann nicht Großfürst werden.«
    Zwei Tage später erwies sich, daß er recht hatte. In Kiev hieß es, Monomach habe abgelehnt. Nach dem Gesetz der Erbfolge war er nicht der nächste in der Reihe – es gab ältere Zweige der Familie, die Vorrang hatten. Und hatte er nicht sein Leben lang für eine ordnungsgemäße und friedliche Erbfolge gesprochen? Konnte er nun seine Prinzipien über Bord werfen, zumal auf Bitten der niederen Klassen hin, die, das wußte er als Fürst wohl, in ihren Grenzen gehalten werden mußten? Also erschien er nicht. Da brach die Revolution aus. Ivanuschka war an jenem schicksalhaften Morgen in den Wald geritten. Er hatte die gefährliche Situation nicht erkannt. Doch plötzlich sah er mehrere Rauchsäulen über der Stadt aufsteigen. Er gab dem Pferd die Sporen. Bald darauf begegnete ihm ein Kaufmann mit einem Karren. Der Bursche peitschte mit aller Kraft auf seine Pferde ein. »Was ist denn los?« rief Ivanuschka. »Die bringen uns um, Herr!« schrie der Mann. »Kaufleute und Edelleute. Kehr um, Herr!« fügte er hinzu, »nur ein Narr würde da hineinreiten!«
    Ivanuschka verzog das Gesicht zu einem grimmigen Lächeln und ritt weiter, hinein in den podol Die Straßen waren voller Menschen. Alle strömten auf das Zentrum zu. Aus Jaroslavs Zitadelle schlugen bereits Flammen. Ivanuschka hatte nur einen Gedanken: Ich muß Svjatopolk retten.
    Als er zum Chazarentor kam, erstarrte er: Wenigstens zweihundert Menschen hatten das Haus des alten Zhydovyn umstellt. Diese Aufrührer hatten brutale Gesichter. »Laßt sie schmoren!« schrie jemand.
    Leute

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