Russka
seinem Schwert, doch Schtschek war bereits ein Stück entfernt und völlig auf seine Aufgabe konzentriert.
Er sah den Rumänen nicht, spürte nur einen brennenden Schmerz im Magen, als habe eine riesige Schlange plötzlich ihre Giftzähne in die Stelle unter seinem Herzen geschlagen. Er schrie laut auf und stellte zu seinem Erstaunen fest, daß seine Arme ihren Dienst versagten, während unzählige Sterne vom Himmel herab auf ihn niederfielen.
Die beiden anderen Kumanen stürzten vorwärts. Der erste, der Schtschek getötet hatte, sprang wie ein grauer Wolf auf Ivan und den Chazarenjungen zu. Der Junge schlug nach ihm, doch der Kumane wich geschickt aus und schwang sein krummes Schwert gegen Ivanuschka. Dieser wehrte ihn ab. Der Kumane bewegte sich rasch im Kreis und zielte geschickt nach den Beinen des Bojaren.
Der junge Chazare schrie. Zum Glück konnte er das Schwert des einen Kumanen abwehren. Er schrie noch einmal, und zu seiner Überraschung zögerte der Gegner. Und als Stimmen in der Umgebung laut wurden, liefen er und sein Kumpan ins Schilf zurück. Der Junge wandte sich um. Im Mondlicht sah er Ivanuschka und den ersten Kumanen miteinander kämpfen. Er konnte nicht sehen, wer von beiden die Oberhand hatte. Er packte sein Schwert fester und wollte sich auf den Angreifer stürzen. Zu seiner Verwunderung machte auch dieser kehrt und wollte davonlaufen. Der Chazare stürzte sich auf ihn, faßte ihn am Ärmel, und als der Mann stolperte, packte er ihn bei den Beinen. Da fühlte er sich plötzlich von hinten in einen schraubstockharten Griff genommen. Der Kumane entkam.
Die Arme, die ihn so fest hielten, gehörten Ivan. »Ich hatte ihn schon, Herr«, protestierte der Junge. »Laufen wir ihnen nach!«
»In dieser Dunkelheit?« Ivan ließ ihn nicht los. »Man wird dir die Kehle durchschneiden. Laß sie laufen. Morgen kannst du Rumänen töten.«
Der Junge schwieg. Wahrscheinlich hatte der Herr recht. Langsam lockerte sich der Griff. »Diese Rumänen sind wahrhaftig Feiglinge«, murmelte er.
»Vielleicht«, sagte Ivan leise. »Aber immerhin haben sie meinen armen Schtschek getötet«, fügte er traurig hinzu. Der Junge blickte auf den stämmigen alten Bauern, der stumm dalag; das Blut bildete einen schwarzen Flecken auf dem mondhellen Gras.
Doch weder jetzt noch später konnte der junge Chazare verstehen, warum Ivan den Rumänen hatte laufenlassen. Und Ivan erzählte ihm auch nie, daß Svjatopolk der Angreifer gewesen war. Sie stießen einige Tage später auf die Kerntruppe der Rumänen, die am Fluß Aufstellung genommen hatte. Ivanuschka und Vladimir ließen ihre Augen über die lange, bedrohliche Linie schweifen. Sie standen auf einem kleinen Hügel. Zur Rechten waren ihre Karren und leichten Kampfwagen in zwei Kreisen angeordnet, so daß sie sich gegebenenfalls verschanzen konnten. »Ich zähle mehr als zwanzig Fürsten dort drüben«, bemerkte Vladimir. Er kannte die Rumänen gut.
Schweigend beobachteten die beiden Einheiten einander. Da fiel Ivanuschka auf, daß der Wind sich gedreht hatte. Er berührte den Großfürsten am Arm und deutete mit dem Kopf auf das sich wiegende Gras. »Schau!«
»Gott sei gepriesen«, sagte Monomach.
Nun würde der Wind ihre Pfeile zum Feind hin tragen. Gott wollte offenbar, daß die Heiden bestraft würden.
Die Schlacht, die an diesem Tag stattfand, lebte in der Erinnerung der Rus noch lange weiter.
»Unsere Pfeile wurden vom Wind in Richtung auf die Feinde gelenkt«, erzählte Ivanuschka seiner Frau später. Es war ein schreckliches Gemetzel. So großherzig Monomach auch in Friedenszeiten war – im Krieg kannte er keine Gnade. Er hatte nichts als Verachtung für die Kumanen, die er bezichtigte, ihre Versprechen zu brechen. Jeder Rumäne, der in seine Reichweite kam, wurde grausam niedergemacht. Es war Sieg auf der ganzen Linie.
Doch über ein Ereignis sprach Ivanuschka niemals. Es blieb sein Geheimnis.
Während der Schlacht hatte er kaum an seinen Bruder gedacht. Doch gegen Ende, als der Sieg ihnen schon sicher war, sah er zu seiner Linken einen einzelnen russischen Bojaren, umzingelt von drei Kumanen, die ihn mit ihren Krummsäbeln bedrohten. Sofort wußte Ivan: Es war Svjatopolk.
Er sprengte von seinen Söhnen weg auf die Kämpfenden zu. Die Kumanen hatten Svjatopolk zum Fluß hin abgedrängt. Als sein Pferd strauchelte, schlitzte ein Angreifer dem Tier die Nüstern auf. Vor Schmerz bäumte es sich hoch auf und stürzte dann über das Steilufer in das wirbelnde
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