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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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getrocknet wurde. Die Bündel wurden mit Stöcken und Dreschflegeln weich geklopft; das war Männersache. Bei der feineren Methode, die die Frauen ausführten, wurde ein an beiden Seiten aufgehängter Balken benutzt. Das Bündel wurde gegen den Balken geschlagen. Das Korn fiel heraus, und das lange Stroh blieb zum Weben und Flechten zurück.
    Während Milej auf und ab ging, mitunter stehenblieb, wanderte sein Blick offenbar frei umher, doch Yanka spürte bald, daß sie der Gegenstand seines Interesses war. Als Milej am zweiten Tag kam, war sie noch hübscher gekleidet als sonst: Ihr Kittel zeigte vorn ein gesticktes Vogelmuster, und sie hatte ihren Gürtel ein bißchen enger gebunden, so daß der Bojar, wenn sie die Arme hob und senkte, sehr wohl die Umrisse ihres Körpers sehen konnte. Obwohl Milej ein nüchtern denkender Mensch war, hatte dieses hübsche junge Geschöpf zwischen den anderen arbeitenden Frauen große Anziehungskraft für ihn. Dieses Mädchen war anders als die übrigen. Sie sprachen nicht miteinander, doch einer war sich der Aufmerksamkeit des anderen sehr wohl bewußt. Einen Tag vor seiner Abreise lieferte man dem Bojaren die Pacht ab: Säcke voller Korn und kleine Ferkel, Lämmer und Zicklein. Eine Familie brachte ihm einen Stapel Kaninchenhäute mit einem amtlichen Stempel darauf; das galt an jenem Ort als Kleingeld. Als die Dämmerung hereinbrach, erhob sich der Bojar, sehr zufrieden mit den Pachterträgen, und gab dem Verwalter ein Zeichen, daß er allein sein wollte. Er verließ den Weiler und ging ein letztes Mal am Flußufer spazieren, etwas wehmütig darüber, daß er den Ort nun verlassen sollte.
    Da entdeckte er zu seiner Freude das Mädchen; sie kam ihm auf dem Pfad entgegen. Unter ihnen lag der ruhige, glasklare Fluß. Milej merkte, daß Yanka etwas sagen wollte, und blieb stehen. Sie sah ihn mit ihren seltsam traurigen Augen direkt an. »Nimm mich mit, Herr.« Er starrte sie an. »Wohin denn?«
    »Nach Novgorod, oder gehst du nicht dorthin?« Er nickte. »Gefällt es dir hier nicht?«
    »Ich muß weg.«
    »Ist dein Vater nicht gut zu dir?«
    »Vielleicht ja, vielleicht nein. Was kümmert dich das?« Sie holte tief Atem. »Nimm mich mit!«
    »Was würde dein Vater sagen?« Sie zuckte die Achseln.
    So war das also. Er sah sie ruhig, ganz offen an. »Und was würdest du für mich tun, wenn ich dich mitnehme?« Sie blickte ihm ebenso ruhig in die Augen. »Alles, was du möchtest.« Es war ihre einzige Chance. Sie würde sich umbringen, wenn er ablehnte. »Also gut«, sagte er.
    Es war eine lange Reise – fast vierhundert Meilen nordwestlich in die Länder am Baltischen Meer. Der Bojar hatte die Boote wieder flußabwärts geschickt, und so mußten sie nach Novgorod reiten. Doch die Anstrengungen schreckten Yanka nicht. Es war gut, unterwegs zu sein. Der Bojar war eine große, eindrucksvolle Figur, vor allem auf seinem prächtigen Pferd. Er trug einen pelzbesetzten Mantel und eine ebensolche Mütze mit aufgesetzten Diamanten. Stolz dachte Yanka: »Das ist mein Bojar.«
    Schon in der ersten Nacht, nachdem sie das Dorf verlassen hatten, schlief er mit ihr. Sie hatte zuerst ein wenig Angst vor diesem großen Mann, mit dem sie das Zelt teilte, doch er erwies sich als liebevoll und zärtlich. Mit ein paar Fragen hatte er ihr die Geschichte mit ihrem Vater entlockt und tröstete sie. »Ich verstehe, daß du weg wolltest«, meinte er sanft. »Aber denke nicht zu schlecht von ihm, auch nicht von dir. In diesen kleinen abgelegenen Orten ist das nichts Ungewöhnliches, das versichere ich dir.« Ihr Vater hatte zu Yankas Überraschung keine Einwände gegen ihre Abreise erhoben. Da sie, strenggenommen, freie Bauern waren, konnte Milej Sawa nicht befehlen, seine Tochter gehen zu lassen. Doch der mächtige Bojar rief den Vater zu sich, um ihm seine Entscheidung mitzuteilen, und warf ihm einen derart durchdringenden Blick zu, daß Sawa rot anlief.
    Trotzdem verlor er seine Fassung nicht. »Das Mädchen ist mir eine große Hilfe, Herr«, meinte er vorsichtig. »Ich werde ärmer sein ohne sie.«
    Milej verstand. »Um wieviel ärmer?«
    »Mein Land ist karg. Und sieh, ich bin ein guter Arbeiter. Gib mir etwas vom tschernozem.«
    Milej überlegte. Der Bursche würde das Land sicher gut bestellen. »Also schön. Du bezahlst eine angemessene Pacht. Sprich mit dem Verwalter.« Und damit entließ er ihn. Als Yanka sich von Sawa verabschiedete, hatte er Tränen in den Augen. Nach zehn Tagen wandten sie sich, kurz

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