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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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östlichen Teil jenseits des Flusses interessiert, wo der tschernozem reiche Erträge brachte. Da der Fürst von Murom im Augenblick keinen Anlaß sah, Milej das Land zu übergeben, hatte dieser einige Male angeboten, Sumpfloch zu kaufen, doch damit war er bisher nicht weitergekommen. Von seinem Verwalter erfuhr er allerdings, daß der in seinem Besitz befindliche tschernozem erst teilweise kultiviert war.
    »Schicke mir noch Sklaven«, sagte der Verwalter, »dann kann ich dir mehr herauswirtschaften.«
    Solche Gedanken gingen Milej durch den Kopf, als er Ende August jenes Jahres Russka einen Besuch abstattete. Er sah das Heu schon stapelförmig aufgeschichtet, als er in die Siedlung einritt. Milej hatte sich gebührend angekündigt, und eine solide neue Hütte mit einem hohen, steilen Dach und einem eingefriedeten Stück Land darum herum erwartete ihn. Er hatte nur einen Diener dabei und ließ sogleich seine zwei prächtigen Pferde versorgen. Er selbst nahm eilig ein Mahl ein und begab sich danach sofort zur Ruhe. In der Dämmerung des nächsten Morgens inspizierte er bereits die Ländereien. Er nickte den Bauern kurz zu, als sie hinaus auf die Felder gingen. Die wichtigste Ernte, der im Frühjahr gesäte Roggen, war bereits im Juli eingebracht. An jenem Tage stand die Gerstenernte an.
    Auf seinem Ritt, den Verwalter beflissen an seiner Seite, richtete Milej sein besonderes Augenmerk auf den tschernozem. »Wir bauen keinen Weizen an?«
    »Zur Zeit nicht, Herr.«
    »Wir sollten es versuchen.« Sein kurzes Lachen klang hart. »Dann könnt ihr Brot für die Kommunion backen.« Brot für die Kommunion? Also meinte der Bojar wohl, sie wollten eine Kirche haben. Der Verwalter lächelte. Das sah nach Geschäft aus.
    Er machte noch weitere Vorschläge. Als er ein Junge war, bauten sie im Süden Buchweizen an. Er wollte das ebenfalls in Russka versuchen. »Ich möchte auch Erbsen und Linsen. Und Hanf könnt ihr zusammen mit den Erbsen anbauen.«
    Milej zeigte sich zufrieden mit dem Flachs, aber er wollte mehr davon. Diese Faser war das Grundprodukt der nordrussischen Landwirtschaft und konnte mit großen Gewinnen auf dem Markt verkauft werden.
    Nachmittags kehrte der Bojar zurück. Nach dem Essen ruhte er ein wenig, und am frühen Abend besichtigte er die Dorfhütten und ihre Bewohner.
    Er war keineswegs erfreut. »Schmutziges, armseliges Pack«, schimpfte er dem Verwalter gegenüber. Doch seine Laune besserte sich sichtlich, als er schließlich zu Sawas Hütte kam. »Endlich eine saubere isba«, stellte er zufrieden fest.
    Es war mehr als das. Über dem Herd hingen an einer Strohschnur frische Kräuter. Der Pokal in Form einer Ente auf dem Tisch war ein kleines Kunstwerk. In einer Ecke brannte eine Kerze vor der Ikone; in der Ecke gegenüber hingen drei wunderschön bestickte Tücher. Diese hatte Yanka in acht Monaten schwerster innerer Qual geschaffen.
    Vor dem Bojaren standen nun ein idealer Vater mit seinem Kind, so schien es ihm zumindest. Obwohl Sawa den ganzen Tag auf dem Feld gearbeitet hatte, war sein spärlicher brauner Bart ordentlich gekämmt. Er hatte zu Ehren des Bojaren eine frische Bluse angezogen; sein Lächeln war respektvoll und stolz zugleich. Das Mädchen war ein Juwel. Ordentlich, sauber, ja sogar hübsch. Seit ihrer letzten Begegnung hatte sie sich tatsächlich herausgemacht. Sie war noch schlank, doch die ersten weiblichen Rundungen machten sich angenehm bemerkbar. Sie hatte eine makellose, wenn auch etwas blasse Haut.
    Bei seinem nächsten Besuch Ende September wurde Milej von vier Booten begleitet, die seine Männer mit Seilen stromaufwärts zogen. Im ersten saß eine Familie von Sklaven. »Mordvinen, fürchte ich, aber du wirst sie schon zum Arbeiten bringen«, war der Kommentar des Bojaren seinem Verwalter gegenüber. In den anderen waren Kälber, die Milej in der Gegend um Rjazan gekauft hatte. »Gib zwei davon dem neuen Mann mit der Tochter; sie sollen sich den Winter über um sie kümmern.«
    Er richtete sich in seinem Haus ein. Er wollte eine Woche lang bleiben und am Ende die Pacht eintreiben. »Dann mache ich Geschäfte in Novgorod«, erklärte er dem Verwalter. »Im Frühjahr komme ich von dort zurück.« Diesmal machte er keine Inspektion, er spazierte lediglich umher und sah den Bewohnern bei der Arbeit zu.
    Was ihn besonders beeindruckte, waren die Drescharbeiten. Der Dreschplatz war eine gerodete Stelle, daneben hatte man kleine Öfen aufgestellt, in denen das Korn durch Rauch

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