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Ruth

Ruth

Titel: Ruth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank G. Slaughter
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geh“, stimmte Noëmi
widerstrebend zu. „Aber achte auf Kiljon, denn er hat nicht deine
Willensstärke. Er ist leichtsinnig mit Mädchen und schnell entflammt.“
    In der Stadt gerieten Machlon
und Kiljon in einen Strom von Menschen, die aus dem Ischtar-Tempel kamen oder
sich vor ihm gedrängt hatten, um die Zeremonie durch die geöffneten Tore zu
beobachten. Alles war in festlicher Stimmung, und mit viel Gelächter und
Geschwätz zog die Menge durch die Straßen. Diese Leute unterschieden sich nicht
sehr von seinen eigenen, dachte Machlon, als sie so mit ihnen dahinzogen, wenn
sie auch Heiden waren und Götzenbilder und Statuen anbeteten anstatt den
einzigen wahren Gott.
    Orpa erwartete die Brüder am
Tor des Tempelgartens und führte sie zu einem kleinen Sommerhaus. Dort war ein
niedriger Tisch gedeckt, auf dem Früchte, verschiedene Fleischsorten und andere
Speisen ausgebreitet lagen, daneben standen silberne Becher und Weinkrüge, die
mit feuchten Tüchern kühlgehalten wurden.
    „Bei den Zelten Israels“, rief
Kiljon aus. „Moab empfängt uns freundlich.“ Er ließ sich von Orpa einen
gefüllten Becher reichen und nahm aus einer Schüssel von den eingelegten
Feigen.
    Machlon zögerte einen
Augenblick. Er fragte sich, ob es richtig wäre, fremde Speisen zu essen und
fremden Wein zu trinken.
    „Ruth wird gleich hier sein“,
sagte Orpa, die sein Zögern mißverstand. „Sie war zur Begleitung des Königs
eingeteilt. Sobald er den Tempel verlassen hat, kommt sie.“
    Machlon entschied sich, den
Wein zu kosten, und fand ihn vorzüglich.
    Ein paar Minuten später trat
Ruth ins Gartenhaus. Ihre Augen glänzten noch von der Aufregung des Abends.
Machlon schaute sie an und blickte dann schnell zur Seite. Sie war schöner denn
je.
    „Warum bist du nicht zur Feier
gekommen?“ fragte sie etwas enttäuscht.
    „Ich bete nicht zu Ischtar“,
antwortete er mit ungewollter Schärfe. „Es wäre eine Sünde für mich, einen
anderen Gott zu ehren als den meinen.“
    Ruth betrachtete ihn mit
gerunzelter Stirn. Sie wußte nicht, ob sie verletzt sein sollte oder nicht.
Seit jenem Abend am Flußufer hatte sie sich zu diesem hochgewachsenen
Israeliten hingezogen gefühlt, der sanft und freundlich und dennoch stark war,
so vollkommen verschieden von den anderen Männern, die sie kannte.
    „Aber Ischtar ist die Göttin
der Liebe“, erklärte sie. „Liebt ihr denn nicht in Israel?“
    „Natürlich lieben wir. Wir sind
Männer und Frauen wie ihr in Moab.“
    „Dankt ihr eurem Gott für das
Aufbrechen des Samens im Frühjahr?“
    „Wir feiern zur Erntezeit.“
Machlons Augen leuchteten auf. „Wir nennen es das Fest der ersten Früchte.“
    „Ihr opfert dann also eurem
Gott die ersten Früchte der Ernte?“
    „Ja. Wir verbrennen sie auf
einem Altar. Früchte und Getreide und sogar ein junges Lamm.“
    „Wir tun das gleiche“,
entgegnete Ruth.
    „Aber ihr bringt die Opfer
euren Göttern Ischtar und Kamosch dar — und opfert ihnen sogar Menschen.“
    „Wir ehren unsere Götter, wie
ihr die euren ehrt. Wo liegt da der Unterschied?“
    „Wir glauben, daß es nur einen
Gott gibt“, erklärte Machlon. „Und er lehrt uns, kein menschliches Wesen zu
töten.“
    „Ist das junge Lamm, das ihr
opfert, nicht die Frucht seiner Mutter?“
    „Doch.“
    „Warum wollt ihr dann kein
menschliches Erstgeborenes opfern?“
    „Der Allerhöchste sagt: ,Du
sollst nicht töten’“, wiederholte Machlon schlicht. „Das Gebot wurde vor vielen
Jahren an Mose gegeben.“
    „Ich habe von dem Mann gehört,
den du Mose nennst“, sagte Ruth bitter. „Er hat Tausende von Menschen in Kanaan
getötet.“
    „Aber nur im Krieg.“
    „In einem Krieg, den ihr
Israeliten entfacht hattet. Die Leute von Kanaan lebten in Frieden, bis die
Israeliten aus Ägypten kamen. Sie nahmen sich, was sie wollten und töteten
alle, die sich ihnen entgegenstellten. Wundert ihr euch, daß wir Moabiter das
Volk Israel hassen?“
    Machlon kannte die Geschichte
jener Flucht aus der Sklaverei in Ägypten. Und nach den Geschichten, die an den
Lagerfeuern in Israel und Juda erzählt wurden, war es genauso blutig vor sich
gegangen, wie Ruth es schilderte. Aber bisher hatte er nie darüber nachgedacht,
was die Menschen in Kanaan gefühlt haben mußten.
    „Wie konnte Jahwe solches Töten
rechtfertigen?“ wollte Ruth wissen.
    Machlon erwartete fast, daß sie
beim Aussprechen des gefürchteten Namens erschlagen zu Boden sinken würde, denn
kein Israelit wagte es,

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