Ruth
raffte
sich nur auf, um die Mahlzeiten zuzubereiten, dann fiel sie zurück in ihre
hoffnungslose Unbeweglichkeit. Als sie nicht antwortete, küßte Machlon sie
zärtlich auf die Stirn und ging hinunter in die Stadt. Kiljon begleitete ihn,
denn der jüngere Bruder wollte Orpa zur gleichen Zeit heiraten, wenn es der
König erlaubte.
Zebuschar empfing sie in seinen
Privaträumen, wo er dem Volk täglich Audienz gewährte. Machlon und Ruth
näherten sich und knieten vor dem König nieder, Orpa und Kiljon neben ihnen.
„Kniest du vor mir, Israelit?“
fragte Zebuschar nicht ohne Ironie.
„Ich erweise dir die Ehre, die
einem König gebührt“, antwortete Machlon ruhig.
„Aber nicht dem göttlichen Sohn
des Kamosch?“
„Euer Gott hat mir das Recht
gegeben, zu meinem eigenen Gott zu beten“, erinnerte ihn Machlon.
Zebuschar lächelte. „Das hat
er! Das hat er! Um welche Gunst bittest du mich, Machlon aus Israel?“
„Ich bitte um die Erlaubnis,
Ruth zur Frau nehmen zu dürfen“, sagte Machlon. „Und mein Bruder bittet um
Orpa, Ruths Gefährtin.“
Zebuschar blickte zuerst Ruth
an, dann Orpa. „Und ihr, Ruth und Orpa, bittet ihr mich auch um diese Gunst?“
„Ja, göttlicher Sohn des
Kamosch“, sagte Ruth mit fester Stimme.
„Ja, göttlicher Sohn des
Kamosch“, wiederholte Orpa.
Zebuschar schaute auf die vier
jungen Leute hinab, die vor ihm knieten. Dann blickten seine Augen einen Moment
lang sinnend in die Ferne, als ob er sich lang vergangener Zeiten erinnerte.
Endlich sagte er: „Wenn ihr, Ruth und Orpa, sicher seid, daß euch eure Herzen
dazu überreden, euch von eurem Volk abzuwenden und diese Israeliten zu
heiraten, so will ich kein Hindernis zwischen euch und diese Männer legen. Aber
ich muß euch warnen: Es ist nicht gut, wenn Menschen, die nicht an die gleichen
Götter glauben, einander heiraten.“
Der König erhob seine Hand.
„Möge der Segen Kamoschs über der Vereinigung von Ruth und Machlon und von Orpa
und Kiljon liegen. Erhebt euch und geht in Frieden.“ Dann lächelte er. „Ich
werde euch sogar ein Hochzeitsgeschenk machen. In der Stadt, gleich an der
Mauer, steht ein Haus leer, Machlon, mit einem Hof, wo du deine Schmiedeöfen
errichten kannst, und einem Brunnen, der Wasser für deine Bottiche liefert.
Sieh zu, daß ihr morgen dort einzieht.“
Als sie den Hügel zur Höhle
hinaufkletterten, faßte Ruth Machlons Hand immer fester, und sie verlangsamte
unbewußt ihre Schritte, bis er sie beinahe ziehen mußte. Kiljon und Orpa waren
weit zurückgeblieben. Sie kicherten und gingen Arm in Arm. „Ich fürchte mich,
Machlon“, flüsterte Ruth, als sie um die letzte Ecke bogen und die Höhle vor
ihnen lag.
Noëmi kniete im Eingang der
Höhle und knetete den Brotteig für das Nachtmahl, wie sie es immer tat. Und ihr
Gesicht war, wie seit Wochen, vom Kummer gezeichnet.
„Mutter“, rief Machlon ihr zu.
„Komm und begrüße deine Töchter!“
Noëmi blickte auf. Als Ruth die
unsagbare Einsamkeit in ihren Augen sah, rannte sie schnell zu ihr hinüber; sie
fiel neben der älteren Frau auf die Knie und legte ihren Arm um Noëmis
gebrechliche Schultern. „Ich habe ihn dir nicht weggenommen, Mutter Noëmi“,
rief sie aus. „Wir werden immer zusammenbleiben.“ Einen Augenblick lang blieb
Noëmis Körper steif, und es sah so aus, als ob sie Ruth rauh zur Seite schieben
wollte. Dann schien ihr Widerstand zu weichen. Als sie zu sprechen begann,
waren ihre Worte kaum mehr als ein Flüstern: „Ich könnte dir alles verzeihen,
Ruth, aber nicht, daß du unseren Gott nicht als den deinen annehmen willst.“
„Aber Mutter“, rief Machlon
aus, „der König hat jedermann in Moab verboten, sich zum Allerhöchsten zu
bekennen, und mir, bei Todesstrafe, sie zu beeinflussen. Wenn Ruth ihn als
ihren Gott annimmt, müssen wir beide sterben.“
Noëmi sah Ruth lange an. Und
das, was sie im Gesicht der jungen Frau las, ließ sie endlich lächeln. „Wie
nennen dich deine Freunde, Ruth?“ fragte sie. „Ich habe auf dem Markt so etwas
gehört.“
„Die Standhafte. Mein Vater hat
mir diesen Namen gegeben, als ich ein Kind war.“
„Und ich gebe ihn dir nun
erneut“, sagte Noëmi und küßte die Frau ihres Sohnes. „Kannst du mir verzeihen,
daß ich dich nicht verstanden habe?“
„Ich verzeihe dir“, sagte Ruth
leise. „Und ich gebe dir meine Liebe.“
Noëmi versuchte zu sprechen,
aber sie fand keine Worte. Da schob sie den Backtrog hinüber zu Ruth. „In Juda
gibt es eine
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