Ruth
wiedergutmachen.“
„Vielleicht hast du recht,
Cheb“, stimmte Boas bei. „Wäre nicht die große Hungersnot gekommen, hätte die
Familie Elimelechs Israel nie verlassen. Zweifellos wurde Machlon von Hedak
gezwungen, die Schwerter als Preis für ihr Leben zu schmieden. Eigentlich
trifft ihn keine Schuld.“
„Hast du noch Zweifel, Boas?“
fragte Tob.
Boas blickte sich in der Gruppe
der Ältesten um und wandte sich dann wieder an Tob. Unter dem prüfenden Blick
seiner ernsten Augen errötete der ältere Mann. „Ich kann deinen Wunsch
verstehen, Tob, daß ich nach Moab gehe — als dein nächster und zudem
kinderloser Verwandter. — Und wie lautet eure Entscheidung?“ fragte er die
anderen. „Ich weiß, daß ihr euch bereits vor Beginn der Beratung abgesprochen
habt.“
Einige der Männer blickten zur
Seite, um Boas’ vorwurfsvollem Blick auszuweichen. Aber ein Besucher aus dem
benachbarten Stamm Benjamin, ein großer Mann mit eisengrauem Haar und
belustigtem Blick sagte ruhig: „Ich habe mich für nichts entschieden, Boas.“
Der israelitische Führer
lächelte, und für einen Augenblick schwanden Härte und Verachtung aus seinem
Gesicht. So liebten ihn alle, die in seinen Diensten standen: gütig,
aufrichtig, großzügig, Achtung gebietend und durch seine Taten Achtung
verdienend. „Ich glaube es dir ohne Worte, Eliab“, sagte er einfach und wandte
sich dann wieder den anderen zu. „Nun“, wiederholte er, „wie lautet eure
Entscheidung?“
Nur das Pulsieren seiner
Schläfen verriet Tobs angestaute Wut über Boas’ Verhalten. „Natürlich haben wir
eine so wichtige Angelegenheit miteinander besprochen“, gestand er.
„Schließlich sind außer dir, Boas, auch noch andere am Wohlergehen Israels
interessiert.“
Boas zuckte die Achseln, sprach
aber nicht. „Du bist der Führer unserer Armeen“, fuhr Tob fort. „Wer sonst,
außer dir, könnte für uns sprechen?“
Ein zustimmendes Raunen kam aus
der Menge. „Boas soll gehen“, entschied einer der alten Männer. „Haben die
Propheten nicht vorausgesagt, daß aus seinem Geschlecht ein König hervorgehen
wird?“
„Angenommen, ich gehe wirklich
nach Heschbon“, sagte Boas. „Und angenommen, Zebuschar ist so alt und vom Wein
verwirrt, daß er wirklich Frieden wünscht. Was wird damit schließlich
erreicht?“
„Unsere Söhne werden nicht im
Kampf durch die Schwerter der Moabiter fallen.“ Es war Natan, ein altes und
angesehenes Mitglied des Rates, der sprach.
„Und wir alle werden durch den
Handel mit ihnen zu Wohlstand gelangen“, erklärte Tob listig. „Unsere Felle,
unser Leder und unser Talg werden auf den Märkten Heschbons das Doppelte
einbringen.“
„Jedesmal, wenn ich nach
Heschbon komme, schreien die Leute nach mehr Leder“, bestätigte Cheb.
„Aber Hedak wird immer noch
Schwerter besitzen“, erinnerte sie Boas nüchtern. „Und seine Armeen werden
immer noch doppelt so stark sein wie die unseren.“
Keiner machte Einwände, denn
diese Tatsachen waren nur allzu gut bekannt.
„Die Kinder Israels werden in
dem gefährlichen Glauben gewiegt, daß alles in Ordnung sei“, fuhr Boas fort.
„Und eines Tages werden die Moabiter uns mit ihren Schwertern überfallen, und
wir werden wehrlos sein.“
„Wir alle wissen, daß Boas gute
Gründe hat, Moab zu hassen“, sagte Tob ungeduldig. „Aber keiner von uns kann es
sich leisten, persönliche Gefühle vor das Wohl Israels zu stellen.“
Dies war ein kluger Schachzug,
denn unter den Zuhörern wußte jeder, daß Boas seit der Flucht und dem Tode
seiner Frau das Nachbarvolk unerbittlich haßte.
„Solltest du einmal das
Wohlergehen eines anderen vor deine eigenen Interessen stellen, Tob, dann will
ich gern dein Sklave sein“, sagte Boas.
„Aber niemand soll sagen
können, daß ich eine Gelegenheit außer acht gelassen hätte, unsere Freiheit zu
wahren. Wenn die Moabiter uns heute angreifen würden, wären wir wehrlos.
Deshalb ist es vielleicht gut, wenn ich nach Heschbon gehe und wir dadurch Zeit
gewinnen. Zumindest kann ich ihre Schwerter zählen.“
Der Rat murmelte beifällig, und
die Menge gab ihre unerbetene Zustimmung. „Boas!“ schrien sie. „Gott erhalte
Boas, den Löwen von Juda.“
„Wann gehst du wieder nach
Heschbon, Cheb?“ fragte Boas den Karawanenführer.
„In etwa drei Tagen“,
antwortete Cheb ohne Zögern. „Denn ich weiß, wie sehr sich Machlon darauf
freut, dich wiederzusehen. Er bat mich, dir auszurichten, daß du in seinem Haus
wohnen
Weitere Kostenlose Bücher