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Ruth

Ruth

Titel: Ruth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank G. Slaughter
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Karawane gab
den erschöpften Frauen Wasser und Nahrung, und man machte ihnen auf den
Maultieren Platz. So legten sie die letzten Meilen bis zur Zufluchtsstätte und
dem Lagerplatz auf beinahe luxuriöse Weise zurück.
    Während der letzten Meilen
gewann Ruth, die direkt hinter Noëmi ritt, den Eindruck, daß die alte Frau die
Gegend genau wiedererkannte. Sobald die Karawane auf der moabitischen Seite des
Jordan stehenblieb, eilte sie zu ihrer Schwiegermutter und hob sie vom
Maultier.
    „Schau, Noëmi!“ rief sie aus.
„Dort ist der Fluß und die Zufluchtsstätte. Von hier kannst du nach Israel
schauen.“
    „Israel!“ Es war nur ein
Flüstern, aber in diesem Wort lag eine solche Freude, daß sich Ruths Augen mit
Tränen füllten.
    „Sieh“, sagte sie. „Eine
israelitische Herde weidet auf der anderen Seite des Flusses, und die Hirten
lagern dort unter den Bäumen.“
    Es war nur eine kleine Herde,
die von einer Familie gehütet wurde. Als Ruth Noëmi zum Fluß hinunterführte,
damit sie ihre Füße an einer der seichten Stellen zwischen den Felsen baden
konnte, blickte eine schlanke junge Frau mit einem Säugling auf der Hüfte, die
am anderen Ufer einen Wasserkrug füllte, zu ihnen herüber. „Schalom!“ sagte
Ruth mit einem Lächeln.
    Die junge Frau schaute
überrascht auf, denn obwohl die Edomiter und die Israeliten in friedlicher
Beziehung zueinander standen, hatten sie wenig Kontakt miteinander.
    Aber aus Ruths Gruß klang
Aufrichtigkeit, und nach kurzem Zögern lächelte die Israelitin. „Friede sei
auch mit dir, Frau von Moab“, antwortete sie höflich.
    Ruth kniete nieder, um Noëmis
Füße zu waschen. „Ich bete zu dem einzigen wahren Gott wie du“, erklärte sie.
„Mein Mann war aus Juda. Er war Machlon, der Sohn Elimelechs.“
    „Ich bin auch vom Stamme Juda“,
sagte die junge Mutter. „Wir kommen aus Betlehem.“
    Während Ruth sich mit der Frau
des Hirten unterhielt, glitten Noëmis Augen über die Herde und das
israelitische Lager, aber sie sagte nichts. „Was ist mit Boas?“ fragte Ruth die
junge Frau, als sie Noëmis Füße trocknete. „Ist er unversehrt nach Betlehem
zurückgekehrt?“
    „Der Allerhöchste hat Boas für
Israel bewahrt. Dies ist seine Herde. Wir treiben sie nach Betlehem, damit die Schafe
das Stroh von der Gerstenernte und das Korn, das die Schnitter und die
Ährenleserinnen übriglassen, fressen können. — Aber wo sind eure Männer?“
    „Sie sind tot“, sagte Ruth
traurig. „Wir sind Witwen.“
    „Möge Gott auf euren Wegen mit
euch sein“, wünschte die Frau des Hirten. „Und möge er euer Weinen in Freude
verwandeln.“ Ruth half ihrer Schwiegermutter, sich zu erheben. „Ich werde für
uns etwas zu essen richten, Noëmi“, sagte sie sanft. „Die Leute der Karawane
waren freundlich und haben uns Nahrung und Unterkunft gegeben, aber wir dürfen
ihnen nicht zur Last fallen.“ Noëmi ließ sich zum Zelt, das ihre Wohltäter
ihnen geliehen hatten, zurückführen. Aber Ruth bemerkte, daß sie immer wieder
über ihre Schulter zurückblickte und nach der Frau des Hirten sah, die über
einem Kohlenbett die Abendmahlzeit kochte.
    Von der Reise erschöpft,
schlief Ruth fest, bis die Geräusche des Lagers, das am Morgen abgebrochen
wurde, sie weckten. Als sie sah, daß die Strohmatte neben ihr leer und die
Zeltklappe zurückgeschlagen war, sprang sie bestürzt auf. Sie mußte jedoch
nicht weit nach Noëmi suchen. Ihre Schwiegermutter stand am Flußufer und
blickte hinüber. Eine Rauchfahne stieg aus dem Feuer der Hirtenfamilie.
    Schnell ging Ruth auf Noëmi zu
und nahm sie beim Arm. „Wir müssen uns beeilen, Noëmi“, sagte sie. „Unsere
Freunde sind zum Aufbruch bereit.“
    Noëmi wandte sich um. Über
Nacht schien sie beinahe wieder sie selbst geworden zu sein, nur Bitterkeit lag
noch immer in ihren Augen. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck der Entschlossenheit.
„Ruth, ich gehe nach Israel zurück“, sagte sie.
    „Aber du hast dort niemanden,
der nach dir sieht. Die südlichen Stämme meines Volkes und meine Familie sind
wohlhabend. Wir werden bei ihnen in Sicherheit sein.“
    „Mein Mann und meine Söhne
liegen in einem fremden Land begraben. Aber ich werde in Israel ruhen.“
    Orpa trat aus dem Zelt, das sie
mit einer Mutter und ihrem Kind geteilt hatte, und ging zum Ufer hinab. „Beeil
dich, Ruth“, rief sie. „Willst du, daß sie uns hier zurücklassen?“
    „Noëmi will nicht mitkommen.
Sie besteht darauf, nach Israel

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