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Ruth

Ruth

Titel: Ruth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank G. Slaughter
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es am Tor zu
Betlehem keine Wächter gab und daß die Leute ungehindert ein- und ausgehen
konnten. Auch Soldaten waren nicht zu sehen, wie sie an den Toren jeder
moabitischen Stadt standen.
    Ein paar Männer, die am Tor
herumlungerten, blickten flüchtig auf die beiden Frauen, wie man einen Fremden
betrachtet. Ihre Augen glitten achtlos über Noëmis müdes und erschöpftes
Gesicht, aber als sie Ruths frische junge Schönheit bemerkten, die trotz Staub
und Müdigkeit deutlich zu erkennen war, wurden ihre Blicke aufmerksam. Ruth,
die diesen Ausdruck auf den Gesichtern von Männern schon oft gesehen hatte,
zog, als sie sich dem Tor näherten, ihren Schal übers Gesicht und ließ nur die
Augen unbedeckt.
    Tobs Haus lag weit vom Tor
entfernt in der Mitte der Stadt. Es war eines der prachtvollsten Häuser in
Betlehem. Die Mauern waren aus Stein und Mörtel gebaut, es hatte zwei
Stockwerke, und das flache Dach war, wie bei vielen Häusern in den
israelitischen Städten, von einer Brüstung umgeben.
    Tagsüber wurde auf den Dächern
oft Wäsche getrocknet, und als sich Ruth und Noëmi dem Hause Tobs näherten,
sahen sie, wie eine Frau über ihnen umherging und Leintücher abnahm, die sie
zum Trocknen aufgehängt hatte. Tob war ein auf Äußerlichkeiten bedachter Mann:
sein Tisch wurde mit feinem Linnen bedeckt, und er trank oft aus silbernen
Pokalen.
    Als Ruth und Noëmi vor dem Haus
stehenblieben, ging Ada zur Brüstung und schaute hinunter. Sie war eine
Sklavin, aber zugleich Tobs Konkubine und deshalb besser gekleidet als die
meisten Frauen in Betlehem. Beim Anblick der abgetragenen und staubbedeckten
Kleider Ruths und Noëmis verzog sie verächtlich den Mund.
    „Dies ist das Haus von Tob,
einem hochgestellten Mann“, sagte sie wichtigtuerisch. „Wenn ihr Almosen
wünscht, geht in den Hof und wartet wie die anderen Bettler.“
    Noëmi wollte sich abwenden,
aber Ruth legte ihre Hand auf den Arm ihrer Schwiegermutter und hielt sie
zurück. „Bist du Tobs Frau?“ fragte sie Ada höflich.
    Ada warf ihren Kopf zurück.
„Tob hat keine Frau. Ich bin seine — seine Haushälterin... Wer bist du, daß du
mich so ausfragst?“ fügte sie hinzu, ärgerlich darüber, daß sie gezwungen
worden war, ihre niedrige Stellung zuzugeben.
    „Dies ist Noëmi, die Witwe des
Elimelech“, erklärte Ruth. „Tob ist ihr nächster Verwandter.“
    Ada hatte Ruth und das kleine
Zeichen Moabs, das auf ihrer Stirn eintätowiert war, angestarrt. „Du bist eine
Moabiterin“, rief sie aus. „Aus welcher Stadt?“
    „Aus Heschbon. Ich bin die
Witwe von Noëmis Sohn Machlon.“ Ruth war müde und es nicht gewohnt, von
Dienstboten ausgefragt zu werden. „Wünscht es dein Herr, daß seine Verwandten
im Hof um Almosen bitten?“ fragte sie ein wenig barsch.
    Ada erholte sich von ihrem
Schreck, daß die beiden Frauen aus Heschbon kamen, blieb aber weiter auf der
Hut. Wenn sie über Chebs Beziehungen mit Moab etwas wußten, dann könnte dies
für den Karawanenführer schlimme Folgen haben. Nicht, daß sie sich um Cheb
sorgte. Aber sie hatte sich bereit erklärt, ihm bei dem geplanten Verrat
Betlehems und Judas an Hedak zu helfen, weil sie hoffte, daß Tob dann als
Hedaks Vasall zum Herrscher über Juda und vielleicht ganz Israel ernannt werden
könnte. Dann würde sie aus dem niedrigen Stand einer Sklavin zu dem einer
Gemahlin erhoben werden; dies waren in der Tat verlockende Aussichten für eine
ehrgeizige junge Frau.
    Ada entschied rasch, daß es
wohl das beste sein würde, die Frauen aufzunehmen und dabei herauszufinden,
wieviel sie wußten. Dann könnte sie ihre Pläne danach einrichten und Tob
anstacheln, sie auszuführen, wie sie es schon so oft getan hatte.
    „Ich komme herunter und lasse
euch ein“, rief sie Ruth und Noëmi zu und bemühte sich um einen Anschein von
Höflichkeit. „Mein Herr wird bald nach Hause kommen. Sicher wird er sich
freuen, seine Verwandten wiederzusehen, die aus so weiter Ferne gekommen sind.“
     
    Ada erwartete Tob außerhalb des
Hauses, als er kurz nach Sonnenuntergang heimkehrte. Er war in Sorge, denn er
hatte Nachrichten erhalten, daß Issachar der Überredungskunst Abirams, der ein
Anhänger von Boas war, nachgegeben habe und beabsichtige, von den philistäischen
Schmieden Speerspitzen zu kaufen, damit die jungen Männer seines Stammes als
Krieger ausgebildet werden könnten. Tob wußte, daß damit sein Handel mit dem
Stamme Issachars zurückgehen würde.
    Ada nahm ihren Herrn bei der
Hand und zog ihn

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