Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
nun klang meine Stimme mit einem Male ganz sicher. „Nein, eifersüchtig ist er nicht. Er gönnt dem Kleinen bestimmt all die Zärtlichkeiten, die Sie ihm geben. Er sehnt sich aber sehr nach etwas Verständnis und Interesse - er sehnt sich danach - ja, er sehnt sich danach, der Kamerad seines Vaters zu sein! Herrgott, ein Junge von dreizehn Jahren bedarf so unendlich vieler Liebe. Und er hat vor allen Dingen einen Vater nötig. Ein kluger Junge hat ihn nötiger als irgendein anderer, weil er ganz einfach in seiner Entwicklung weiter ist als seine Altersgenossen. Nein, Herr Doktor, er ist nicht eifersüchtig. Bernt hat einen viel zu redlichen und großzügigen Charakter, um so niedrig und kleinlich zu empfinden.“
Irrte ich mich? Schimmerte eine kleine Perle hinter der Brille des Doktors?
Ich weiß es nicht. Denn er nahm die Brille ab und putzte sie. Dann räusperte er sich.
„Redlich und großzügig, sagten Sie? Das klingt - hm -überraschend. Ich habe seit fünf Jahren nichts anderes zu hören bekommen, als daß er schwierig wäre und muffig - und daß man unmöglich Kontakt mit ihm bekommen könne...“
„Aber dann versuchen Sie es doch mal!“ rief ich aus. „Bernt ist so klug, daß er es leicht durchschaut, wenn man sich nur dazu zwingt, ein Gespräch mit ihm zu führen. Es hat wenig Sinn, sich mit ihm freundlich über die Schule zu unterhalten und ihn auszufragen, was er so macht. Dann verschließt er sich und denkt: ,danke, ich komme ohne Mitleid aus’. Bitten Sie ihn statt dessen lieber um etwas
- bitten Sie ihn um seinen Beistand - lassen Sie ihn etwas leisten!!“
Jetzt erhob sich der Doktor. Und zu meinem grenzenlosen Staunen strich er mir übers Haar.
„Kluge, kluge Beate“, sagte er. Und seine Stimme war ganz anders als sonst.
Ich nahm die Kaffeetasse und ging leise hinaus.
Eine Weile später saß ich mit den Zwillingen und Bernt im Wohnzimmer. Hansemann hielt Mittagschlaf, die Zwillinge erzählten mir eine haarsträubende Geschichte aus der Schule, und Bernt saß in einer Ecke für sich mit einem Kreuzworträtsel.
Mit einem Male tat sich die Tür auf, und der Doktor kam herein. „Schon fertig, Papa?“ fragten die Zwillinge aus einem Munde. „Ach, ihr Optimisten!“ lachte der Vater. „Nein, ich bin noch lange nicht fertig. Du, Bernt, hast du da was Besonderes vor?“ Bernt blickte auf, erstaunt. „Nein, gar nichts...“
„Könntest du mir nicht ein bißchen zur Hand gehen?“ Bernt stand auf, die Augen fest auf den Vater gerichtet; der ganze Junge strahlte. „Und ob! Was soll ich denn.“
„Vor allen Dingen mußt du eisernes Schweigen geloben“, lächelte der Vater. „Du weißt, was das auf sich hat?“
„Ich bin immerhin der Sohn eines Arztes“, sagte Bernt. „Also weiß ich auch, was es mit der Schweigepflicht auf sich hat.“
„Großartig. Dann komm, mein Junge - ich sitze bis übermorgen, wenn ich das alles allein machen soll, weißt du.“
Die Tür schloß sich hinter Vater und Sohn. Wie groß Bernt schon war, und wie ähnlich dem Vater.
Wir hörten gedämpftes Sprechen aus dem Nebenzimmer. Dann wurde es still.
Kurz darauf erschien Hansemann auf der Bildfläche und verlangte unterhalten zu werden. Ich setzte ihn also mit Buntstiften und einem Zeichenblock an einen niedrigen Tisch und sagte ihm, er solle einen hübschen kleinen Hund für mich zeichnen. Hansemann ging mit Ernst und Eifer an seine Aufgabe.
„Hört mal, Mädels“, sagte ich darauf zu den Zwillingen. „Ihr müßt mir mal ein bißchen helfen. Heute ist Samstag, und wir wollen es uns heute abend so richtig gemütlich machen, wenn Papa und Bernt mit ihrer Arbeit fertig sind. Wollen wir was extra Gutes zu Abend essen und hinterher was Süßes?“
Die Zwillinge waren Feuer und Flamme. So verzogen wir drei Frauenzimmer uns in die Küche.
„Was wollen wir denn mal machen?“ fragte ich. „Worauf habt ihr Lust?“
Die Zwillinge sahen sich ratlos an.
Dann lachten sie, und die eine (ich glaube, es war Senta), sagte: „Ulkig, daß du uns fragst, Beate. Tante Julie hat uns nie gefragt.“ „Aber sie hat euch sicher was Gutes gekocht.“
„Ja-a...“, sagte Senta gedehnt. „Hmmnja - zu Geburtstagen und so - aber nicht plötzlich so aus heiterem Himmel. Doch das finde ich gerade lustig.“
„Also, was wollt ihr haben? Ich habe etwas Sahne im Haus und...“
„Eis“, schlug Sonja vor. „Ach, Beate, bitte, bitte tu’s. Vanilleeis oder Mokkaeis. Kannst du das?“
„Ach doch, das werde ich wohl
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