Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
Bernt“, sagte ich. „Mußt du nicht auch aufschreiben, wo du sie gefunden hast?“
Bernt lächelte vielsagend.
„Das kommt noch. Auf der Seite daneben. So weit bin ich noch nicht. Aber hier, guck mal.“
Aus einem Briefumschlag nahm er einen Packen herrlicher Farbfotos heraus.
„Sieh mal. Ehe ich die Pflanzen abpflückte, habe ich eine Aufnahme von der Stelle gemacht, wo sie wachsen. Nun klebe ich jedesmal das Foto von der betreffenden Pflanze genau gegenüber auf, und unter das Foto kommt eine kurze Beschreibung von der Umwelt und der Stelle, wo sie wächst, und natürlich auch, wie hoch überm Meeresspiegel.“
Ich war sprachlos.
„Aber Bernt“, sagte ich, nachdem ich mich wieder etwas gefaßt hatte, „dafür mußt du doch ein Vermögen ausgegeben haben.“ Bernt lachte.
„Ja, Farbfotos sind teuer. Ich habe das ganze Jahr über dafür gespart. Und ich habe einen ziemlich guten Fotoapparat.“
„Hast du dir den auch selber zusammengespart?“
„Nein, den kriegte ich als Preis im vorigen Jahr. Es war der Preis für meine Strandpflanzen, weißt du.“
„Und was kriegt man dieses Jahr? Ich meine, wenn man den ersten Preis bekommt?“
In Bernts Augen trat ein fast sehnsüchtiger Ausdruck.
„Ein kleines Mikroskop“, sagte er leise. „Nicht sehr groß und nicht so fein, wie es die Ärzte haben, sondern kleiner, einfacher, für Pflanzen und Insekten und dergleichen gedacht.“
„Ja, das hast du doch auch verdient für so eine Sammlung, Bernt. Laß mal sehen - was ist denn das hier...“
„Das ist Gentiana. Oder Enzian. Hast du gewußt, daß in Norwegen wilder Enzian wächst?“
„Nein“, sagte ich, „mir hat nur immer vorgeschwebt, daß Enzian in die Alpen gehört.“
„Das tut er auch“, sagte Bernt. „Und wenn ich mal sehr viel Geld habe, dann fahre ich spornstreichs in die Alpen, das kann ich dir schriftlich geben. Aber dies Dingelchen hier habe ich oben bei uns in Rondane gefunden neben einer Gruppe von Zwergbirken.“
Bernt und ich saßen so lange über seinen Pflanzen, bis das Bullern eines Motors draußen auf der Straße ankündigte, daß Dr. Rywig nach Hause kam. Ich mußte nun Hals über Kopf nach unten stürzen, um für das Essen zu sorgen.
O doch, mein Weg im Rywigschen Haus war mit Triumphen ziemlich dicht gepflastert. Der Doktor sah heiterer aus, er gab sich in den kurzen Stunden, die er zu Hause war, mehr mit den Kindern ab.
Hansemann aß, und Hansemann zog sich selber an und aus. Und ich konnte die Zwillinge auseinanderhalten.
Und ich hatte auch Bernts Vertrauen errungen.
War dies alles nicht ein wunderbarer Lohn für meine Arbeit?
An diesem Abend schrieb ich einen langen und glücklichen Brief nach Hause. Ich schrieb und schrieb, und erst als ich mit einem „und grüßt alle Bekannten“ schloß, schweiften meine Gedanken kurz ab.
Alle Bekannten - das waren in erster Linie meine Freundinnen -zu denen auch Giske gehörte, und von Giske bis zu Axel war es nur ein Katzensprung.
Axel, ja.
Weshalb lag ich abends nicht wach und heulte? Weshalb dachte ich nicht Tag und Nacht an Axel und meine verratene Liebe? Warum war ich nicht voller Bitterkeit, wenn ich an den hellen Mantel dachte und die grüne Spinne und „Putschikam“?
Wie in aller Welt war es zugegangen, daß ich so schnell über etwas hinweggekommen war, was vor drei Monaten in meinen Augen die einzige wahre, große Liebe gewesen war?
Ich konnte mir darauf selber keine Antwort geben. Und ich hatte keine Lust, noch weiter über den Fall nachzugrübeln.
So schrieb ich denn „Tausend liebevolle Grüße - Beate“ und faltete den Brief zusammen.
Aber da kam das Erdbeben
Ich hob den Kopf und horchte.
Es war kurz nach dem Mittagessen, ich machte gerade mein Zimmer, wozu ich am Vormittag nur selten kam.
Zornige Stimmen aus Bernts Zimmer.
Hier schien ein Mittler - oder eine Mittlerin - am Platze zu sein. Ich ging hinüber.
Ich kam rechtzeitig genug, um zu sehen, wie Bernt - vielleicht etwas grob - Hansemann vom Schreibtisch wegschob.
„Du sollst das nicht anfassen, hab ich gesagt.“
„Ich will deine Bilder ansehen.“
„Jetzt nicht, außerdem verstehst du doch nichts davon.“
„Ich will aber Bilder ansehen.“
„Diese Bilder sind alle nichts für dich. Geh rüber und guck dir deine Bilderbücher an.“
„Ich will aber deine Bilder ansehen.“ Jetzt stampfte Hansemann mit dem Fuß auf, und seine Stimme klang genauso wie in den ersten Tagen meines Aufenthalts im Hause Rywig.
„Na aber,
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