Rywig 02 - Hab Mut, Katrin
Englischen nicht sattelfest.“
Frau Rywig schwatzte munter, und ihre Stimme klang warm und fröhlich, wenn sie von den Kindern sprach. Katrin lauschte dem Klang, es lag etwas darin, was sie früher schon gehört hatte, und daran erinnert zu werden, tat wohl. Aber was war es?
Frau Rywig suchte unter den Teenager-Kleidern und entschied sich schnell und sicher.
„Sie dürfen es gern umtauschen, wenn es nicht paßt, gnädige Frau“, erklärte die Verkäuferin.
„Es paßt“, lächelte Frau Rywig. „Ich sehe es, und weiß auch, daß Größe vierzig für meine Tochter richtig ist.“
Dann drehte sie sich zu Katrin um. „Sie wollten sich doch auch Kleider anschauen, war es nicht so? Darf ich dabeisein oder möchten Sie das lieber allein machen?“
„Nein, wenn Sie wirklich dabeisein wollen - das wäre riesig nett.“ Frau Rywig legte ein lebhaftes und echtes Interesse an den Tag, und da Katrin geradezu um Rat fragte, erteilte sie ihn liebend gern.
„Das hier gefällt mir mächtig“, sagte Katrin. Sie hatte gerade ein Abendkleid in einem aparten, auffallenden Rot übergeworfen.
„Es ist sehr schick“, gab Frau Rywig zu. „Aber wissen Sie, es ist gar nicht so einfach, für diese ausgefallene Farbe eine Tasche und
Schuhe und Strümpfe zu finden, die gut passen.
Ich weiß ja nicht, was Sie haben, aber -.“
An so etwas hatte Katrin noch nie gedacht. Sie pflegte zu kaufen, was ihr gefiel, ohne irgendwelchen Plan.
„Ich habe ein Paar dunkelblaue Pumps und eine blaue, fast neue Tasche.“
Sie suchten weiter, und als Katrin jetzt ein niedliches, jugendliches Kleid in Creme und Blau anhatte, stimmten sie sofort überein.
„Nun möchte ich mich vielmals für die Hilfe bedanken“, sagte Frau Rywig. „Ich darf Sie sicher nicht weiter aufhalten.“
Katrins Gesicht drückte eine Riesenenttäuschung aus. Es war etwas völlig Neues für sie, mit jemandem einkaufen zu gehen und noch dazu mit einem so heiteren und lieben Menschen wie dieser Frau Rywig. Das hatte sie nicht mehr erlebt, seit ihre Mutter gestorben war.
„Kann ich Sie nun noch irgendwo hinfahren?“ fragte sie, und sie richtete ein Paar große und flehende Augen auf Beate Rywig.
„Aber gewiß doch,- Kind, wenn Sie möchten und Zeit haben.“
„Zeit habe ich massenhaft, und ich - ich bin ganz allein.“
Zu ihrem eigenen grenzenlosen Erstaunen merkte Katrin, daß ihre Stimme zitterte. Beate Rywig nahm ihren Arm.
„Aber dann bleiben wir doch noch ein bißchen beisammen. Können Sie mir sagen, was ich für einen kleinen Schlingel von zehn Jahren besorgen soll? Sein größtes Interesse auf dieser Welt sind Autos, und danach kommen Düsenflugzeuge - und dann muß ich auch für Bernt noch etwas haben, den Großen. Er ist viel erwachsener und viel klüger als sein Vater und ich zusammen - und dann noch was für den Kleinsten, meinen Stephan - die stürzen sich doch auf den Koffer, sobald ich ankomme. Es müssen Geschenke drinliegen, sogar gleich obenauf.“
So fuhren sie denn in das größte Spielwarengeschäft der Stadt und in einen Laden für fotografische Artikel.
„Bernt hat angefangen, Filme zu drehen“, erklärte Frau Rywig, „und nun muß ich ihm eine Klebepresse kaufen, obwohl ich mich völlig zugrunderichte. Ach, ich habe eine Schwäche für den Jungen!“
Katrin verschlang jedes Wort. Die ganze Harmonie dieser glücklichen Familie erstrahlte in Frau Rywigs Augen und verlieh ihrer Stimme Wärme und Zärtlichkeit.
Sie hatten ihre Einkäufe beendet. Katrin hatte den Autoschlüssel hervorgeholt und wollte gerade aufschließen. Plötzlich blieb sie stehen und sah Frau Rywig mit einem merkwürdigen Ausdruck ins Gesicht.
„Jetzt weiß ich es“, sagte sie, und in ihrer Stimme schwang ein seltsamer, neuer Ton mit.
„Was wissen Sie?“
„Jetzt weiß ich, an wen Sie mich erinnern. Ich habe die ganze Zeit überlegt, und jetzt weiß ich es. Es ist so lange her, und darum dauerte es eine Weile, bis es sozusagen - sozusagen an die Oberfläche stieg, aber jetzt weiß ich es. Sie erinnern mich an meine Mutter.“
Beate Rywig sagte nichts darauf, bis sie im Auto nebeneinandersaßen. Da legte sie still ihre Hand auf Katrins Hand. „Katrin - denken Sie oft an Ihre Mutter?“
„So oft eigentlich gar nicht. Ich denke an sie, wenn ich die Rosen versorge und wenn ich ihr Bild ansehe, und hin und wieder, wenn jemand, den ich kenne, von seiner Mutter spricht, sonst aber - ich weiß nicht - ich denke, glaube ich, mehr an meine Brüder und -
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