Rywig 02 - Hab Mut, Katrin
ich werde es dir erzählen, denn ich brauche deine Hilfe, das heißt, wenn du möchtest.“
„Na klar möchte ich.“
„Aber du sagst es keinem weiter?“
„Wenn du es nicht willst, nein.“
„Ja, siehst du, ich habe wahnsinnige Lust bekommen, die mittlere Reife nachzumachen. Ich meine also, einen einjährigen Kursus zu besuchen und dann privat in die Prüfung zu steigen.“
„Find’ ich großartig, Katrin. Aber weshalb soll ich denn nichts weitersagen?“
„Weil... ja, paß mal auf: Ich möchte zuerst versuchen, ob ich überhaupt imstande bin, das Pensum zu begreifen. Bevor ich mich zu einem Kursus melde, möchte ich ein bißchen auf Vorrat gelernt haben. Ich werde versuchen, mich an Hand deiner alten Schulbücher etwas vorzubereiten. Wenn ich mich dann zum Kursus melde, das wäre also am 1. September, dann kann es ja kein Geheimnis mehr bleiben. Aber vorläufig, bitte! Denn wenn Beatemutti von meinen
Plänen erführe, würde sie allzu rücksichtsvoll sein, damit ich Zeit fürs Lernen hätte - und das will ich nicht. Ihr braucht mein bißchen Arbeitskraft auch. Deshalb will ich es nicht erzählen - und dann auch noch aus einem anderen Grunde. Wenn ich es nicht schaffe, ist es viel besser, wenn niemand weiß, daß ich es versucht habe - das heißt niemand außer dir.“
„Na schön. Und was soll ich tun?“
„Du sollst mir die Aufsätze zeigen, die ihr in der Schule geschrieben habt. Ich will einige davon selber schreiben, und du sollst sie durchlesen und mir sagen, ob sie einigermaßen sind.“
„Meine Gute, wenn du etwa denkst, ich bin in der Schule eine Leuchte gewesen, dann irrst du dich. Ich weiß gar nicht, ob ich Aufsätze beurteilen kann. Aber wie steht es in den anderen Fächern, Katrin?“
„Mathematik und Physik schaffe ich glatt, das sehe ich schon jetzt.“
„Und die Sprachen?“
„Das ist schon schlimmer. Englisch könnte ich wohl schaffen, aber Deutsch ist mir neu, ich habe keinen Schimmer von der Aussprache. Grammatik und Vokabeln, die kann man unter Umständen durch Büffeln lernen, wenn ich aber keine Ahnung von der Aussprache habe - “
„Aber die lernst du doch in dem Kurs.“
„Gewiß. Aber wie gesagt, ich möchte so gern etwas vorarbeiten. Ich bin ganz wild darauf, etwas zu lernen. Und ich habe das Gefühl, daß ich schnell lerne, weil mein Hirn so lange Zeit nicht beansprucht gewesen ist, es hat sich gewissermaßen ausgeruht.“
Senta überlegte. „Ich glaube, du hast recht. Wenn ich nämlich sehe, mit welcher Blitzesschnelle du andere Sachen lernst, zum Beispiel Auto fahren. Du fährst einfach phantastisch, sagt Papa.“
„Es liegt mir nun mal. Und ich habe fahren können, lange bevor ich meinen Führerschein hatte.“
„Aber wie schnell du dich in Oslo zurechtgefunden hast. Du bist sicher im Verkehr und kennst die wichtigsten Straßen.“
„Das habe ich regelrecht gepaukt, siehst du.“
„Aber das sind noch andere Sachen, Kochrezepte und vieles im Haushalt - wenn du es nur einmal gesehen hast, kannst du es.“
„Sagt Beatemutti auch“, sagte Katrin langsam.
„Tatsächlich? Na also! Katrin, ich kann dir nur sagen, das geht bestimmt nicht schief. Du schaffst die mittlere Reife wie geschmiert, wenn es auch natürlich ‘ne ziemliche Sache ist, alle Fächer nachzuholen. Ich wünsche nur, du hättest etwas mehr Zeit zum Arbeiten. - Ich führe übrigens was im Schilde.“ Jetzt sah Senta nachdenklich vor sich hin.
„Was führst du im Schilde?“
„Das erfährst du später.“
„Aber du vergiß nicht, daß du versprochen hast, keinem Menschen etwas zu sagen!“
„Klar vergesse ich das nicht. Aber jetzt muß dein Teig doch endlich fertig gerührt sein!“
„Du, Beatemutti“, sagte Senta am Abend. „Was hältst du davon, daß wir mal einen Stundenplan aufstellen? Wenn wir alles genau durchdächten, was im Hause zu tun ist, und es so unter uns verteilen, daß jede von uns weiß, welche Pflichten sie hat und wieviel freie Zeit? Ich will gerne den Stundenplan schreiben - mit drei Rubriken, über denen steht: Beate, Katrin, Senta, und dann hängen wir ihn in der Küche auf. Einen Tag in der Woche müßte jede von uns ganz frei haben. Und jeden dritten Sonntag. Was meinst du dazu?“
„Senta, ich hätte nie gedacht, daß du so viel Vernunft hast. Und du, Katrin, was sagst du dazu?“
„Einfach prima!“ Beate legte die halbfertig gestrickte Hose für Stephan beiseite.
„Her mit Papier und Bleistift. Wir machen’s zuerst mal ins
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