Rywig 02 - Hab Mut, Katrin
mitgekommen. Aber Rechnen hat mir mehr Spaß gemacht.“
„Na klar, du mit deinem technischen Hirn. Warum bist du eigentlich nicht auf die Mittelschule gegangen?“
„Mein Vater war damals gerade gestorben, und da saßen wir, meine Brüder und ich, und ich wollte doch am liebsten nur bei ihnen sein und ihnen den Haushalt führen - ach, ich weiß selbst nicht, Senta, es kam ganz von selber so.“
Senta nickte. „Ich verstehe, ja. Aber im Grunde ist es schade, Katrin.“
„Ja, ich wollte, ich hätte die mittlere Reife gemacht. Das ist wohl auch der Grund, weshalb ich immer dasitze und in deinen Schulbüchern krame.“
„Sicher. Was hast du denn gerade vor?“
„Arithmetik.“
„Du liebe Güte! Kapierst du das denn überhaupt?“
„Zu Anfang begriff ich nicht ein Priepelchen. Aber dann dachte ich mir, wenn ihr die Prüfung gemacht habt, Sonja und du, so müßte ich es doch eigentlich auch schaffen. Also nahm ich den Anfang von neuem vor, und da ging mir ein Licht auf. Und nun macht es mir einfach Spaß.“
„Du bist wirklich eine komische Nudel“, sagte Senta. „Ehe ich
freiwillig auch nur eine halbe Stunde Arithmetik lerne, würde ich lieber einen ganzen Monat lang täglich dreimal die Küche machen.“ „Ja, Senta, tu das. Ich habe bestimmt nichts dagegen.“ Dann lachten sie beide, Senta beugte sich wieder über ihren Brief und Katrin über ihre Arithmetik.
Es war ein friedlicher Nachmittag, und die beiden waren allein. Beate war mit Stephan in die Stadt gefahren, um Schuhe für ihn zu besorgen, Dr. Rywig war in der Klinik und Hans Jörgen nebenan bei seiner Freudin Lieselotte Erlestad.
„Arme Sonja“, sagte Senta.
„Weshalb ist sie eine arme Sonja?“
„Das Essen“, seufzte Senta. „Diese ,sausages’ scheinen der Lichtblick der Woche gewesen zu sein. Sie sehnt sich halb tot nach einer anständigen Schwarzbrotscheibe mit Ziegenkäse oder einem Teller norwegischer Fischsuppe!“
Katrin legte die Arithmetik beiseite. „Arme Sonja! Du, wollen wir eine riesengroße Sandtorte backen und sie Sonja schicken?“
„Ach ja, das tun wir! Und eine Dose mit Pfeffernüssen, auf die ist sie ganz wild.“
Senta war Feuer und Flamme. Und so wanderten sie beide in die Küche hinunter.
Hier fand Beate sie. „Ihr seid wirklich ideale Küchenfeen“, lachte sie. „Was macht ihr denn jetzt?“
„Wir backen einen Kuchen für Sonja“, strahlte Senta. „Katrin hatte die Idee. Arme Sonja, sie ist fast am Verhungern. Guck mal -lies mal ihren Brief, da könnt ihr mal sehen, was ihr meiner armen Schwester angetan habt...“
Beate lachte. „Hört mal, ich habe noch eine von den Pökelwürsten, die wir im Frühling aus Tjeldsund bekommen haben, wollen wir die für Sonja opfern?“
„Natürlich“, riefen beide im Chor. Und dann begannen sie, das Paket für Sonja in Angriff zu nehmen. Katrin beteiligte sich mit ganzer Seele daran. Sie wußte selber nicht, wie sehr sie dieses Familienleben genoß, dieses fröhliche Vertrauen, die Offenheit -!
Aber Beate sah es und freute sich. Katrin war redseliger geworden. Und sie konnte sich viel besser ausdrücken. Gut, daß sie sich dieses Jahr leistet, bevor sie auf die Schule kommt, dachte Beate.
Aber sie wußte nicht, daß Katrin etwas ganz anderes dachte, während sie unermüdlich den Sandtortenteig rührte.
„Bist du noch nicht lahm im Arm?“ fragte Senta. „Jetzt rührst du schon mindestens eine halbe Stunde.“
Katrin blickte auf, ihre Miene hatte einen abwesenden Ausdruck. „Lahm - was meinst du denn - sagtest du lahm? Oh, aber gar nicht.“
„Meine Güte, was hast du für Kraft in den Armen. Von dir möchte ich aber ungern verhauen werden!“
Katrin lachte. „Dann paß nur auf, daß du immer lieb und nett bist.“
„Das hört sich ja an, als wäre ich nicht immer lieb und nett.“ Senta sagte es lachend, aber Katrin war mit einemmal ernst. „Doch, das bist du, Senta. Und das seid ihr alle miteinander, die reizendsten Menschen, die ich in meinem Leben kennengelernt habe.“
Senta sah etwas verlegen aus. „Na, nun höre mal, Katrin - du wirst ja geradezu hochtrabend.“
„Klang es so? Das wollte ich nicht.“
„Du hast heute den ganzen Vormittag so ernst und nachdenklich ausgesehen. War es unsere Güte, an die du gedacht hast?“
„Nein, jedenfalls nicht die ganze Zeit. Ich dachte an ganz etwas anderes.“
„Darf man fragen, was das war?“ Katrin überlegte ein wenig, dann redete sie los. „Ja, natürlich darfst du fragen, und
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