Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden
Daß wir morgen abend das Kreuz des Südens sehen konnten? Daß wir glühend schöne Blumen vor den Augen haben würden, Blumen, die wir höchstens als verkrüppelte Topfblumen kannten?
Allmählich hatten alle ihre Plätze gefunden. Einhundertsechsundachtzig Menschen, Menschen mit verschiedener Einstellung, mit verschiedenen Erwartungen, aus verschiedenen Gesellschaftsschichten, mit verschiedenen Interessen waren für einige wenige Stunden zusammengewürfelt und bildeten eine kleine Einheit - beinahe hätte ich eine „kleine Siedlung“ gesagt - hoch, hoch oben in der Frühlingsluft.
So - jetzt bewegten wir uns. Der mächtige Vogel rollte immer weiter weg von dem Flughafengebäude, raus auf das riesengroße Startfeld. Eine Stimme im Lautsprecher. Es war der Kapitän, der uns willkommen hieß und uns erzählte, daß wir nun über die Alpen fliegen würden, dann über Italien und die Adria, über das Mittelmeer und schließlich in Kairo landen.
Ich war so beeindruckt, daß ich mucksmäuschenstill war. Das ist bei mir immer ein Zeichen allerhöchster Aufregung.
Das mächtige Triebwerk heulte auf - das Flugzeug zitterte wie ein Tier, das alle Muskeln vor einer gewaltigen Anstrengung spannte
- ich wurde nach hinten gedrückt, mein Rücken gegen die senkrechtstehende Rückenlehne gepreßt - schneller, schneller - dann ein kleiner Ruck.
Wir flogen. Wenn wir aus der Maschine stiegen, waren wir in einem anderen Erdteil. In Afrika. Im Land meiner Träume.
Jetzt - jetzt erlebte ich die Erfüllung meines größten Wunsches.
„Aber Sonnie“, flüsterte Senta neben mir.
Sie steckte mir ein Taschentuch in die Hand, und ich wischte schnell die Freudentränen von Augen und Wangen.
,, Impalamädchen"
„Meine Damen und Herren, wir fliegen jetzt über das südliche Italien. Wir befinden uns in einer Höhe von neuntausend Metern. Die Außentemperatur beträgt minus 60 Grad. Wir werden in einer Stunde in Kairo sein.“
Ich zog meine Strickjacke aus, und die leichte Kostümjacke an. Senta folgte dem Beispiel. Unsere Kleidung hatte uns Kopfzerbrechen bereitet. Auf der Reise Oslo-Frankfurt wollten wir nicht frieren, in Afrika würden wir aber nur leichte Kleidung brauchen. Auf Beatemuttis Rat hatten wir leichte Kostüme angezogen und eine Strickjacke darunter. Unter der Jacke ein dünnes, ärmelloses Blüschen, über dem Kostüm den altbewährten Popelinemantel. Nun konnten wir uns allmählich ausschälen und waren für jede Temperatur richtig angezogen. Die Mäntel waren nicht überflüssig. Im Reiseführer stand ja, daß wir auf der Safari einen Mantel brauchen würden.
Wir erhielten ein wunderbares Essen, bekamen danach eine Tasse anständigen Kaffee serviert, und der tat not. Diese Nacht kamen wir bestimmt nicht zum Schlafen!
Wenn ich mich an diesen Flug erinnere, sehne ich mich danach zurück. Die Stimmung war ganz eigenartig. Die verschiedenen Menschen, die pechschwarze Nacht draußen, das regelmäßige Brummen der Triebwerke, das gedämpfte Licht im Flugzeug. Die netten Stewardessen in ihren hübschen hellblauen Kleidern... leise gingen sie durchs Flugzeug, paßten genau auf, erfüllten unsere Wünsche mit freundlichem Lächeln. Ständig wurden kühle Obstgetränke angeboten, was ein Segen war!
Zugegeben, wir saßen ziemlich eng, aber du liebe Zeit, wenn ich an den Preis dachte, zu dem diese Reise angeboten wurde! Von uns beiden Glückspilzen will ich gar nicht reden, aber auch wer bezahlt hatte, war billig davongekommen. Ich hatte die Preise mit den üblichen Linienflugpreisen verglichen. Eines wußte ich: Auch künftig würde dies meine einzige Möglichkeit sein, nach Afrika zu kommen. Oh, wie wollte ich sparen - eisern sparen!
Übrigens saßen wir gar nicht unbequem. In der Tasche vor unserem Sitz lagen bequeme, weiche Pantoffeln bereit. Die schweren Schuhe wanderten unter den Sitz, und die Füße erholten sich!
Nur daß wir gar keinen Ausblick hatten, fand ich enttäuschend.
Ich hatte mich so auf den Flug über die Alpen gefreut. Aber das einzige, das wir gesehen hatten, war die Umgebung von Frankfurt, ein Stück von der Autobahn, das schöne, symmetrisch gebaute Frankfurter Kreuz... und schon waren wir mitten drin in der Wolkendecke. Kurz danach hatten wir sie unter uns und flogen eine Weile bei Sonnenschein.
Die Alpengipfel jedoch lagen tief unter uns und unter den Riesenwattebäuschen der Wolken. Gleich darauf fing es an zu dämmern und jetzt, kurz vor Kairo, war es stockfinster. Wir mußten über dem
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