Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden
Minuten zu gedulden.“
Die Malindigäste verschwanden. Unsere Gruppe wurde viel kleiner. Beinahe übersichtlich!
Das Flugzeug nach Mombasa hatte Verspätung. So saßen wir da, übermüdet, gespannt und glücklich. Wir waren glücklich - Senta und ich, Herr und Frau Dieters und Heiko. Ob die anderen die Wartezeit so ruhig über sich ergehen ließen, weiß ich nicht.
Da sah ich wieder Frau Tiger. Sie hatte den Inhalt ihrer unzähligen Beutel in eine rote Riesentasche vom Andenkenstand in Kairo verstaut. Ich hatte sie da hängen sehen, sie kostete - umgerechnet -an die vierzig Mark. In Deutschland hatte ich genau die gleichen in einem Warenhaus für achtzehn Mark fünfzig gesehen.
„Ich finde es einfach lächerlich“, sagte die Tigerdame im Vorbeigehen zu ihrem Mann, „daß man hier so rückständig ist! Warum in aller Welt können sie nicht ihre Uhrzeiten nach der zivilisierten Welt richten? Was soll das bloß, die Uhren um zwei Stunden vorgehen zu lassen?“
Wir fünf wechselten Blicke.
„Die sollte mal nach Amerika fahren“, sagte Heiko leise.
„Oder über den Pazifik“, meinte Herr Dieters. „An der Datumgrenze würde sie verrückt werden!“
Heiko stand auf und guckte mich an.
„Wollen Sie einen Sonnenaufgang in Kenya erleben, Impala?“
Ich stand ebenfalls auf, und wir gingen zu der großen Glaswand, die uns vom Flugfeld trennte.
Es wurde mit jeder Minute heller. Da draußen arbeiteten fünf, sechs Männer an einem Flugzeug. An dem, das uns nach Mombasa bringen sollte.
Wir standen still, sagten kein Wort. Wir warteten nur. Warteten auf den Tag.
Wie gut lernt man einen Menschen kennen, mit dem man zusammen schweigt. Wieviel kann man aus seinem Gesichtsausdruck, aus seiner Haltung lesen.
Ich fühlte selber, daß die Spannung in mir sich allmählich löste. Diese freudige, aufgeregte Spannung, in der ich ein Vierteljahr lang gelebt hatte.
Mit einem Mal war alles richtig, natürlich - es war richtig und selbstverständlich, daß ich neben Heiko im Flughafen Nairobi stand und auf den Sonnenaufgang wartete.
Er drehte den Kopf, sah mich lächelnd an.
„Sie können so schön schweigen, Impala“, sagte er.
„Warum sagen Sie immer Impala? Finden Sie meinen Namen so häßlich?“
„Durchaus nicht. Aber unpraktisch mit zwei Fräulein Rywig.“
„Ich heiße Sonja“, sagte ich.
„Gut, Sonja. Ich heiße Heiko.“
Die farblose, seltsam silbrige Luft da draußen bekam plötzlich Leben. Sie wurde rosa - nein, golden... eine Mischung von Rosa und Gold.
Dann geschah es. Mit einem Mal lag das Flugfeld vor uns in Gold gebadet, von Licht überflutet. Das Weiße wurde blendend weiß, das Silber unseres Flugzeuges strahlte.
Noch standen wir ganz still.
Dann sagte Heiko, und er sprach noch leise:
„Jetzt ging die Sonne auf.“
„Ja, Heiko“, flüsterte ich. „Jetzt ging die Sonne auf.“
Erst gegen halb zehn war unser Flugzeug startklar. Inzwischen hatten wir - auf Kosten des Reiseunternehmens oder des Flughafens, was weiß ich - gefrühstückt, ein gewaltiges Frühstück nach englischem Muster: Spiegeleier und gebratenen Schinken, Tee, Toast und
Marmelade in rauhen Mengen. Senta, die zwei Jahre lang das bescheidene deutsche Frühstück gegessen hatte, stöhnte und ließ ihren Schinken stehen.
Hinter uns fragte Frau Tiger laut und auf deutsch nach Bratkartoffeln zu den Eiern. Der schwarze Ober verstand aus guten Gründen nichts, schüttelte den Kopf und brachte ihr eine Flasche Ketchup.
Dann wurden wir zum Abflug aufgerufen.
Das Flugzeug war nur halb besetzt.
Heiko setzte sich neben mich. Senta landete neben Frau Dieters, deren Mann sich über zwei Sitze mit Zeichenblock und anderen Zeichenutensilien breit machte.
Ich drückte die Nase platt gegen das Fenster.
Wir flogen gar nicht so sehr hoch, ich konnte kleine Eingeborenendörfer deutlich erkennen, ich sah Straßen mit Autos und große, weite, grüne Flächen.
Plötzlich packte ich Heikos Arm.
„Heiko! Was ist das? Da... weiter links.“
Er beugte sich über mich und starrte.
„Giraffen, Sonja. Vier. fünf. ich glaube sechs Stück!“
Senta und Frau Dieters blickten auch hinaus, nur Herr Dieters zeichnete, zeichnete und zeichnete.
Eine Viertelstunde später landeten wir in Mombasa.
Das Flughafengebäude war schattig und beinahe kühl. Als Paß-und Zollkontrolle erledigt waren und wir das Gebäude verließen, blieb ich auf der Treppe stehen und schnappte nach Luft.
Die ganze sengende Mittagshitze schlug uns entgegen, das
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