Rywig 04 - Die Glücksleiter hat viele Sprossen
heirate, muß ich doch sein Elternhaus und sein Milieu verstehen! Übrigens, findest du, daß wir hier im Haus verschwenderisch sind oder daß wir besonders wohlhabend sind? Du meinst doch nicht, daß Heiko mich für ein verwöhntes, reiches Mädchen hält!“
„Nein, nein, um Gottes willen! Aber du kannst schließlich selbst sehen, daß wir es hier - sagen wir, finanziell besser haben als meine Eltern in Tjeldsund oder Heikos Eltern?“
„Nun ja - “
„Doch, Sonnie, darüber mußt du dir im klaren sein. Ich sehe den Unterschied gut! Wenn du wüßtest, was für ein Genuß es für mich war, als ich damals, vor neun Jahren, hier zu wirtschaften anfing! Daß man für einen Kuchen so viel Eier nehmen konnte, wie im Rezept stand, daß ich nicht immer Milch in die Sahne mogeln mußte, daß wir moderne, praktische Küchengeräte hatten - und wenn ich euch Kindern Kleidung kaufte, brauchte ich nicht unbedingt zu warten, bis Ausverkauf war, und wir brauchten nicht immer die alten Sachen zu wenden und umzuarbeiten - und ich brauchte mir nicht ständig den Kopf zu zerbrechen, wie ich ein denkbar billiges Mittagessen zusammenschustern sollte - “
„Kartoffelpuffer?“ fragte ich.
„Kartoffel - was? Kenne ich nicht. Wo hast du das denn
gegessen?“
„Bei Heikos Eltern. Es ist Heikos Lieblingsgericht. Schmeckt übrigens ganz gut. Ich werde mich schon daran gewöhnen.“
„Gut, daß du diese Einstellung hast. Denk daran, Sonnielein: Heiko hat Studienschulden. Er hat keine Reserven. Wenn ihr heiratet, werdet ihr bescheiden und vorsichtig anfangen müssen. Ich glaube, du wirst ein paar von deinen Gewohnheiten ablegen müssen!“
„Habe ich so teure Gewohnheiten?“
„Na - sagen wir, ein paar angenehme Angewohnheiten! Könntest du zum Beispiel Margarine statt Butter essen, könntest du aufs Fernsehen verzichten, könntest du es dir verkneifen, zu jedem Walt Disney-Film zu rennen? Kannst du Perlonstrümpfe stopfen, statt sie gleich wegzuschmeißen, wenn die große Zehe rausguckt? Kannst du auf dein Frühstücksei verzichten, kannst du deine bekleckerten
Kleider selbst in Ordnung bringen, statt sie in die Reinigung zu geben?“
„Beatemutti - nun sag mal, hast du das alles getan?“
„Das kann ich dir sagen. Und ich könnte noch viel mehr erzählen. So war es, die ganze Zeit, bis ich herkam und deinen Papa heiratete.“ Ich goß mir eine Tasse Kaffee ein, trank ihn im Stehen. Ich dachte nach. War dies ein neues Problem, etwas, womit ich fertig werden mußte? Oder war es nur eine lächerliche Kleinigkeit, die überhaupt nicht zählt?
„Sag mal, Mutti - wenn du dich wieder umstellen müßtest, wenn du es nun wärest, die aufs Fernsehen und neue Strümpfe und chemische Reinigung verzichten müßtest - könntest du es dann? Ohne Bitterkeit, ohne - “
„Ich glaube schon, mein Mädchen. Wenn ich nur deinen Papa habe und euch Kinder, wenn wir alle gesund sind und uns liebhaben, dann glaube ich schon, daß ich mich umstellen könnte. Du weißt, gemeinsames Schicksal trägt sich leichter.“
„Ja“, sagte ich langsam. „Und außerdem, für dich wäre so eine Umstellung nur ein Zurück zu einem wohlbekannten Zustand. Aber für mich - ja, ich habe es eben gut gehabt mein Leben lang, ich habe Butter und keine Margarine gegessen und immer neue Strümpfe gekauft und so weiter. Für mich wird es neu, ich werde allein sein. Denn für Heiko war das Leben immer so.“
„Eben. Ach, Sonnielein, ich habe das Gefühl, daß ich immer so scheußlich vernünftig sein muß. Immer muß ich dir sagen, daß du alles genau durchdenken sollst, denn wenn erst die Würfel gefallen sind, dann gibt es kein Zurück!“
„Ich weiß es, Beatemutti. Aber wenn ich daran denke, wie glücklich ich mit Heiko bin, wie innig ich ihn liebe, dann ist es doch eine Kleinigkeit, Margarine zu essen und Strümpfe zu stopfen und den Fernseher zu entbehren.“
„Hoffentlich wirst du es immer als eine Kleinigkeit empfinden, mein Mädchen. Würdest du übrigens anfangen, den Tisch zu decken, bald haben wir wohl die ganze Bande - was habe ich gesagt, da ist schon der Anfang!“
Der Anfang war Annettchen in ihrem Schlafanzug mit aufgedruckten Kätzchen und Hunden. Sie rieb sich die Augen mit der einen Hand. In der anderen hielt sie ihr Lieblingsspielzeug, ein Babypüppchen mit Mamastimme.
„Habe Hunger“ teilte sie mit.
„Wir auch, mein Schatz. Ach, Sonnie, machst du das Frühstück, damit ich mich um die Hauptperson des Hauses kümmern
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